Anni Ahlers
Photo: Bibliothèque nationale de france, Author: Agence de presse Mondial Photo-Presse (PD: domaine public)
Operettensängerin
21.12.1902 Hamburg - 14.3.1933 London
Anni Ahlers war Ende der 1920er-Jahre des 20. Jahrhunderts neben der Ungarin Gitta Alpar die gefeierte Operettendiva Berlins. Sie wurde in Hamburg geboren und wohnte mit ihrer Mutter Auguste, geb. Leeberg, ihrer zwei Jahre älteren Schwester Mia und ihrem Stiefvater, dem Maurermeister Cäsar Buschitzky, in der Annenstraße in St. Pauli. Ihr leiblicher Vater war Zirkusstallmeister. Dieser hatte seine Tochter im Alter von vier Jahren mit dem Bühnenmilieu vertraut gemacht. 1920 wurde Anni Ahlers als Tänzerin an die Hamburger Volksoper auf der Reeperbahn engagiert, an der sie bis zum Sommer 1924 blieb. Damit begann ihr Aufstieg von der Tänzerin zur Chor- und schließlich zur Solosängerin. Im Juni 1923 bekam Anni Ahlers ihre erste Solo-Rolle. Sie spielte die Rote Liesy in der Operette "Der fidele Bauer" von Leo Fall.
Zu Beginn der neuen Spielzeit, im September 1924, ging Anni Ahlers nach Itzehoe, wo sie bis April 1925 als Sängerin und Tänzerin am Stadttheater engagiert war. Als die Spielzeit im Herbst wieder begann, wechselte sie ans Stadttheater nach Dortmund. Hier blieb sie wiederum nur für eine Spielzeit und ging dann im August 1926 nach Breslau. Dort hatte sie ihren ersten größeren Erfolg in der Operette "Lady Hamilton" von Eduard Künneke. Die folgenden zwei Jahre blieb Anni Ahlers in Breslau.1929 kam sie nach Berlin, wo sie schnell zu einem der Stars der Operetten- und Revuebühnen avancierte. Ihre erste größere Rolle war die der Barbarina in der Operette "Casanova" von Ralph Benatzky, eine reine Tanzrolle. Doch bereits im Jahr darauf erhielt sie ihre erste große Tanz- und Gesangsrolle, verkörperte die Victoria in "Victoria und ihr Husar" von Paul Abraham. Diese Operette schlug bei den Leipziger Operettenfestspielen im Juli 1930 sensationell ein und wurde danach mit viel Erfolg im Berliner Metropoltheater gespielt.
Jetzt meldete sich auch der Film. Im Jahre 1931 spielte Anni Ahlers in vier Streifen, ("Marquise von Pompadour", "Der wahre Jacob", "Faschingsfee" und "Liebesfiliale". 1932 wirkte sie in dem musikalischen Lustspiel "Die verliebte Firma" mit.
Im selben Jahr verließ Anni Ahlers Deutschland und ging ans His Majesty's Theatre in London, wo sie in der Rolle der Dubarry in der gleichnamigen Operette von Carl Milröcker Triumphe feierte. Diese Rolle wurde ihr möglicherweise zum Verhängnis. So jedenfalls sahen es manche Freunde und Kollegen, als Anni Ahlers infolge eines Sturzes aus dem Fenster starb. Sie meinten, Anni Ahlers habe, mondsüchtig veranlagt und überarbeitet, Rolle und Realität verwechselt. Als Madame Dubarry hatte sie durch ein Fenster über einen Balkon der Dekoration kriechen müssen. Die Kommission, die in England ungeklärte Todesfälle untersuchte, kam zu dem Ergebnis, es habe sich um einen Suizid gehandelt. Die Einäscherung von Annie Ahlers fand in London unter großer Beteiligung der Theaterwelt und im Beisein ihrer Mutter und Schwester statt, die die Urne nach Hamburg überführten.
Valerie Alport geb. Mankiewicz
Kunstsammlerin und Mäzenin
23.5.1874 Posen - 11.12.1960 Marseille
Valerie Aports Grabstein ist das Entrée zum Garten der Frauen. Von der Cordesallee kommend und dem Wegweiser zum, "Garten der Frauen" folgend, der an dem Fußweg steht, der direkt zum Garten der Frauen führt, befindet sich auf der linken Seite des Weges der Grabstein von Valerie Alport.
Valerie Alport, verheiratet mit Leo Alport, Aufsichtsratsvorsitzender der Firma Beiersdorf, hatte von ihrem Bruder Anteile der Firma geerbt. Das Ehepaar hatte zwei Kinder.
Vor dem Ersten Weltkrieg in Paris Kunstgeschichte studiert und mit der Sammlung von Kunstwerken begonnen,veranstaltete sie mit ihrem Mann in ihrer Hamburger Villa in der
Agnesstraße 1 Konzerte und Treffen kunst- und kulturinteressierter Menschen. Mit der jüdischen Malerin Anita Rée (ihre Urne befindet sich auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof des Ohlsdorfer Friedhofes) freundschaftlich verbunden, kaufte Valerie Alport ihr viele Bilder ab und schützte sie so vor Armut. Auch begleitete sie sie auf einer von ihr finanzierten Italienreise.
Nach Anita Rée`s Freitod im Jahre 1933 erbte Valerie Alport Bilder der Künstlerin. 1936 schenkte sie einen Teil der Bilder dem jüdischen Museum in Berlin und emigrierte 1937 mit Rèe-Bildern zu ihrem Sohn nach Oxford.
Nach dessen Tod kamen einige Rée-Bilder nach Hamburg zurück.
Ilona Bodden
Lyrikerin, Kinderbuchautorin und Übersetzerin
8.2.1927 Hildesheim - 16.4.1985 Hamburg
Schon ihre Kindheit muss Illusionen über die Welt erst gar keinen Platz eingeräumt haben. Sie verlief offenbar nicht nur einsam und belastet mit der Pflege ihres kränkelnden Vaters, eines Hildesheimer Buchhändlers. Wenn Ilona Bodden später äußert, dass sie ihre Kinderbücher - etwa 20 - schreiben musste, weil sie nur so die entsetzlichen Verwundungen der eigenen Kindheit überwinden könne, ist zu vermuten, dass diese Kindheit noch ganz andere Zumutungen für sie bereithielt. Doch auch später scheint sich Ilona Boddens Verhältnis zur Welt nicht wesentlich geändert zu haben. Ihre Lyrik ist oft düster und trotz der Veröffentlichung ihrer Gedichte in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften etc.,
trotz der Übersetzungen ins Italienische und Ungarische und der Verleihung mehrerer Lyrik-Preise in Italien zog Ilona Bodden, die auch als Übersetzerin aus dem Englischen, Französischen und Italienischen gearbeitet hat, die erschütternde Bilanz:
"Zu früh, viel zu früh - doch die gestundete Frist ist um. Es gilt die Rechung zu begleichen. Aufrichtige Freunde, keine. Wenig Freude. Essen und Trinken karg. (Die letzten zwei Flaschen Wein waren geschenkte.) Die meisten Ausgaben für nutzlose Medikamente verschwendet. (Gegen Taubheit gibt es kein Heilmittel.) Summa summarum: Die Kosten sind ausgeglichen - Ich bleibe der Welt schuldig, was sie mir schuldig geblieben ist."
Ilona Bodden nahm sich am 16. April 1985, wenige Tage nach ihrem Mann, dem Journalisten Günter Löbering, in ihrer Wohnung in der Hoheluftchaussee das Leben.
Julie de Boor
Portraitmalerin
21.7.1848 Hamburg - 4.6.1932 Hamburg
Julie de Boor stammte aus einer angesehenen jüdischen Arztfamilie. Ihr Vater war der Arzt und Chirurg Dr. Moritz Unna, der Bruder der Dermatologe Dr. Paul Gerson Unna, nach dem der Unna-Park benannt ist. Sie besuchte Privatkurse bei Eleonore Göttsche und erhielt Zeichen- und Malunterricht bei Bernhard Mohrhagen und Herrmann Steinfurth. Es wird sich bei all dem vermutlich um die damals übliche Ausbildung für höhere Töchter gehandelt haben. 1873 heiratete sie den aus einem uralten holländischen Adelsgeschlecht stammenden Juristen und Bankier Adrian Ploos van Amstel und folgte ihm nach Heidelberg. Doch noch bevor die gemeinsame Tochter Paula am 20. November 1874 geboren war, erschoss sich Adrian Ploos van Amstel, vermutlich wegen finanzieller Schwierigkeiten.
Julie de Boor ging zunächst nach Berlin, um sich bei dem Genre- und Bildnismaler Karl Gussow ausbilden zu lassen, und später nach Paris zu dem gesuchten Portraitmaler Emile Auguste Carolus-Duran. Doch eigentlich verstand sie sich als Schülerin des spanischen Malers Diego Velásquez (1599-1660), der auch ihren Lehrer Carolus-Duran stark beeindruckt hatte. 1880 kehrte Julie de Boor nach Hamburg zurück. Mit ihrer Tochter Paula lebte sie im Hause ihres Vaters und arbeitete in Ateliergemeinschaft mit dem Schlachtenmaler Claus Herrmann de Boor in der Rothenbaumchaussee 197. 1889 heiratete das Paar und zog in das nach seinen eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen gebaute einstöckige Haus mit Atelier im Dach in die Moorweidenstraße 19 (heute steht dort das Elysée-Hotel). Paula wurde in die Obhut einer französischen Pastorenfamilie in Mailand gegeben.
Das gemeinsame Leben des Künstlerehepaares war nur von kurzer Dauer. Am 30. November 1889 starb Claus Herrmann de Boor.
Unterstützt durch ihre gesellschaftlichen Beziehungen, die ihr Haus zum Sammelpunkt künstlerisch interessierter Menschen machten, insbesondere aber durch ihren Mentor, den Bürgermeister Carl Petersen, war Julie de Boor schnell zu einer beliebten Portraitmalerin mit zahlreichen Aufträgen geworden. Ca. 500 Portraits und Kniestücke in Öl auf Holz oder Leinwand und in Kreide entstanden bis zu ihrem Tod, darunter auch ein Gruppenbild der sieben Rathausbaumeister, das Julie de Boor dem Rathaus zur Eröffnung 1897 stiftete und das im "Rosenkranz" im Ratsweinkeller hängt.
Trotz aller Anerkennung und Wertschätzung starb Julie de Boor als verbitterte Frau. Sie konnte oder wollte wohl nicht begreifen, dass ihre Kunst, die akademische Portraitmalerei, bereits zu ihren Lebzeiten einer vergangenen Epoche angehörte.
Hannelore Borchers, verh. Ausborn
Buhnen 1961
Venezianischer Karneval 1979/81

Bildquelle: Hannelore Borchers 1932-1990. Eine Retrospektive. 28. Okotber bis 13. Dezember 1991. Galerie Christian Zwang Hamburg, Katalog 6
Malerin
20.11.1932 Warte - 18.12.1990 Hamburg
Paulinenallee 28 (Galerie Christian Zwang, dort Bilder von ihr)

"Die Hamburger Malerin Hannelore Borchers hat fast ihr ganzes Leben lag im Stillen gearbeitet und sich dabei dem herrschenden Kunstbetrieb verweigert, weshalb ihr Schaffen zu Unrecht in Vergessenheit geriet," 1) schreibt der Kunsthistoriker Hanns Theodor Flemming. Sie begann ihre künstlerische und Kunsterzieherinnen-Ausbildung im Alter von 20 Jahren und besuchte bis 1958 die Hochschule für bildende Künste (HfbK) in Hamburg, wo sie bei den Malern Kurt Kranz und Willem Grimm lernte. Im Alter von 26 Jahren wurde sie Kunstpädagogin am Gymnasium für Mädchen in Hamburg Gross-Flottbek (heute: Gymnasium Hochrad). 1966 wechselte sie an das Emilie-Wüstenfeld- Gymnasium und war dort bis 1988 tätig. 2) Zwischen 1955 und 1961 führte sie eine Lebensgemeinschaft mit dem gleichaltrigen Maler Volker Meier, der ebenfalls an der HfbK bei Willem Grimm studiert hatte.
Ihr freies Schaffen begann Hannelore Borchers "mit
dunkeltonigen Strandbildern, Küstenlandschaften und Stilleben in denen noch spätexpressionische Stilelemente eines Willem Grimm auf veränderter Ebene fortleben. Ihre düster getönten Darstellungen von Fischernetzen, Buhnen, Metallgerüsten, Mauern und Häuserwänden sind von einer schwermütigen Stimmung erfüllt (…)." 1) Ihre zahlreichen Reisen nach Skandinavien, London und Irland inspirierten sie zu weiteren Bildern mit Motiven von Meeres- und Küstenpanoramen "aus Dänemark mit Sturmwolken und weiten Horizonten, die in nuancenreichen Farbvaleurs die spezifische Atmosphäre der skandinavischen Landschaft veranschaulichen. Das gilt nicht minder für die Bilder aus der Folgezeit, die durch Eindrücke von zahlreichen Reisen in den Norden, nach London und vor allem nach Irland geprägt wurden. Irische Moore und Kliffs sind in regnerisch verschwommenen Blaugraugrüntönen einer äußerst differenzierten Palette geschildert, in der die eigegenartige Stimmung des Insellandes zu autonomem malerischem Ausdruck gelangt." 1) Von 1963 bis 1988 war Hannelore Borchers mit dem ein Jahr älteren Maler Gerhard Ausborn verheiratet, der ebenfalls zur selben Zeit wie sie an der HfbK bei Willem Grimm studiert hatte. Im Jahr ihrer Heirat wurde das Ehepaar Gründungsmitglied der "Neuen Gruppe Hamburg", ein Zusammenschluss von ca. 22 jüngeren Künstlerinnen und Künstlern, der auf keine bestimmte Kunstrichtung festgelegt war. In den 1970er Jahren wandte sich Hannelore Borchers "durch Eindrücke aus Prag, Venedig und Ephesus mehr und mehr [dem] Architektonischen und Figürlichen" 1) zu. "Die tänzerisch bewegten Barockfiguren auf der Prager Karlsbrücke, die antiken Statuen, Torsen und Ruinen der ionischen Tempel und Arkaden von Ephesus, besonders aber die venezianischen Figurinen der Commedia dell'Arte vor der sparsam angedeuteten Kulisse der Lagunenstadt, bilden nun die Themenkreise für anspielungsreiche Kompositionen in Öl oder Gouache, in denen das jeweilige Motiv oft symbolische Bedeutung gewinnt. Das gilt vor allem für die von surrealer Magie erfüllten Palazzi-Interieurs aus Venedig (…) Marmorsäulen und geometrisch gemusterte Marmorfußböden, zwischen denen sich bizarr maskierte Gestalten und seltsam verkleidete Paare des Carnevale di Venezia bühnenhaft bewegen, (…). In diesen Gemälden erreichte Hannelore Borchers einen Gipfel ihres eigenständigen Schaffens." 1)
Hannelore Borchers war auch eine hervorragende Zeichnerin. Sie schuf Bleistift- und Federzeichnungen sowie Schwarzweißradierungen. "Am Ende ihres Lebens wandte sich die Malerin schließlich noch dem bildnerischen Verfahren der Collage zu, deren Teile sie aus Ausschnitten illustrierter Zeitschriften symbolhaltig zusammenfügte, wobei aus Formen Bedeutungen entstanden und umgekehrt. Bildtitel wie ‚Adriatisches Unwetter', (…) ‚Götterdämmerung', ‚Gipfel-stürmerei', (…) deuten auf derartige formal-motivische Wechselbeziehungen." 1)
Quelle:
1) Hanns Theodor Flemming: Hannelore Borchers 1932-1990. Eine Retrospektive, 28.10. bis 13.12.1991. Galerie Christian Zwang Hamburg. Katalog 6.
2) freundliche Auskunft von Renate Vidal, ehemalige Schülerin von Hannelore Borchers.

Photo: privat
Hedwig Brandt, geb. Stosch-Sarrasani
Die rechte Hand ihres Vaters, Direktor des Zirkus Sarrasani
1.3.1896 Berlin - 28.2.1957 Hamburg
Hedwig Stosch-Sarrasani war die Vertraute ihres Vaters Hans Stosch (1873-1934). Nach der Schule - anfangs besuchte sie ein Pensionat in Dresden, später ein Internat in der Schweiz - wurde Hedwig ab ihrem 14. Lebensjahr in die Arbeit des Zirkus mit einbezogen: als Kunstreiterin, Kassiererin und auch als ein Mitglied des "Putztrupps", der nach den Vorstellungen aufräumen und saubermachen musste. Doch das Verhältnis von Vater und Tochter trübte sich, als Hedwig auf einer gemeinsamen Reise mit ihrem Vater nach Hamburg, ihren zukünftigen Ehemann kennenlernte. Hans Stosch war mit seiner Tochter auf der Werft Blohm + Voss, um Verhandlungen
über einen Schiffstransport seines Zirkus nach Südamerika zu führen. Für diese Gespräche wurde ihnen "der beste Mann der Werft", der Leiter der Reparaturabteilung, vorgestellt.
1920 heiratete die 24-Jährige gegen den Willen ihres Vaters, der bereits während des Ersten Weltkrieges "einen Mann vom Fach" für sie ausgesucht hatte. Hedwig zog nach Hamburg und bekam ein Jahr nach der Hochzeit ihr erstes Kind, ein Mädchen, dem 13 Monate später ein Junge folgte. Diese Geburtenabstände glichen denen von Hedwig und ihrem Bruder und führten deshalb bei den Zirkusleuten zu abergläubischen Vermutungen; die Folge: Vater und Tochter versöhnten sich und fortan reiste Hedwig Brandt immer mal wieder für einige Monate zu ihrem Vater, um ihm bei der Zirkusarbeit zu helfen. Musste der Vater auf Reisen, war die Tochter die Generalbevollmächtigte des Zirkus. Zwischen 1920 und 1925 bekam Hedwig Brandt zwei weitere Kinder. Ein Dienstmädchen half im Haushalt, und während Hedwig Brandts Abwesenheit wurden die Kinder von der Schwägerin betreut. Nach dem Tod ihres Mannes stürzte Hedwig Brandt in eine schwere wirtschaftliche Krise: Blohm & Voss zahlte ihr nicht die (Witwen) Betriebsrente. Dies belastete sie sehr und machte sie krank. Trotzdem war sie voller Begeisterung dabei, als 1955 Fritz Mey, ein ehemaliger Mitarbeiter des 1945 in Dresden ausgebombten Zirkus Sarrasani, mit Spendengeldern versuchte, das Unternehmen wieder aufzubauen. Sofort gab sie ihr Einverständnis für den Zirkusnamen "Sarrasani" und reiste 1956 zu dessen Eröffnungsvorstellung nach Mannheim. Ein Jahr später verstarb sie.
Anny Breer
Porträtfotografin
27.10.1891 Hamburg - 21.7.1969 Hamburg
Anny Breer wurde unter den Namen Agnes Else Breer am 27.Oktober 1891 als Tochter des 1. Schiffsvermessungsinspekteurs Theodor Wilhelm Breer und seiner zweiten Frau Agathe geboren, die er 1891 geheiratet hatte. Breers erste Frau und Mutter ihrer gemeinsamen fünf Kinder war etwa zwei Jahre zuvor verstorben.
Anny Breer schreibt über die Folgen dieser Ehe für ihre Mutter "Mit der Heirat begann dann ihr langes, qualvolles und einsame Leben…"
Über ihr Verhältnis zu Vater und Stiefgeschwister schreibt sie: "Als ich in der zweiten Ehe meines Vaters in Hamburg geboren wurde, stand meine Geburt schon unter so ungünstigen Aspekten, die mein ganzes weiteres Leben gekennzeichnet haben…" Damit
meinte sie u. a. die totale Ablehnung ihrer Mutter durch die Kinder aus erster Ehe, damals zwischen 14 und 9 Jahre älter als Anny Breer, und die notorische eheliche Untreue des Ehemanns. Auch sie hat unter den Launen und der Ablehnung ihres Vaters und den Kindern aus erster Ehe stark zu leiden.
1912 trifft Anny Breer auf ihre erste Liebe, einen 22 jährigen Pianisten, der ihr Klavierunterricht gibt. Er ist der Gegenentwurf zu ihrem Vater. Kein Wunder, dass sie sich schwärmerisch in ihn verliebt. Gegen den Willen des Vaters verloben sich die beiden im Februar 1915, mitten im Ersten Weltkrieg. Am selben Tag erleidet Theodor Breer einen Schlaganfall und stirbt wenige Tage später. Anny Breer fühlt sich "vom Tyrann befreit", doch der nächste Schicksalsschlag lässt nicht lange auf sich warten. Ihr Verlobter, Carl Rettbach, wird eingezogen und fällt am 26. November 1915 an der Ostfront.
Breers Vater war bei seinem Tod so hoch verschuldet, dass zur Abfindung der Gläubiger die Villa in der Fruchtallee 38 verkauft werden muss. Um finanziell über die Runden zu kommen, muss Anny Breer Arbeit annehmen und findet eine Stelle in der Militärverwaltung in Altona.
Dort tritt ein neuer Mann in ihr Leben. Er ist deutlich älter, ein jüdischer Reserveoffizier und im Zivilberuf Jurist. Später wird er von den Nazis deportiert und ermordet. Er sieht in ihr einen "Augenmenschen" und rät ihr zur Fotografie als Beruf. Über die Witwe von Ernst Juhl, einer Bekannten ihres Verlobten, lernt sie Minya Dührkoop kennen. Ernst Juhl war der Mitstreiter des Hamburger Kunsthallen-Direktors Alfred Lichtwark. Beide waren bemüht, die gewerbliche Fotografie ästhetisch zu reformieren. Als Fotosammler war Juhl mit vielen damals weltbekannten FotografInnen bekannt. Minya Dührkoop gehört mit ihrem Vater Rudolf zu diesem Kreis. Zu ihrem Kundenstamm gehören Kaiser und Präsidenten, hohe Militärs und berühmte bildende Künstler, Musiker und Schauspieler. Mit dem Atelier Bieber aus Hamburg und wenigen anderen im Deutschen Reich wetteifern sie um das Prädikat "bekanntestes Atelier Deutschlands." Anny Breer beginnt im Hamburger Atelier Dührkoop als unbezahlte Volontärin und bekommt innerhalb von zwei Monaten Gehalt, weil sie ihre Arbeit hervorragend erledigt. Als zeichnerisch sehr begabt, fällt ihr im Atelier Retusche zu, also die zeichnerische Manipulation der Fotonegative und der Papierabzüge. Aufgrund einer Neurodermitis muss sie ihre Arbeit aufgeben und begibt sich 1917 zur Therapie in ein Krankenhaus. Eine Rückkehr ins Atelier Dührkoop ist aufgrund der geschäftlichen Situation nicht möglich. Wahrscheinlich durch die Vermittlung von Minya Dührkoop, hat sie aber nun die Möglichkeit von deren Bekannten und Konkurrentin Emma Wiemann zu lernen. Anny Breer schreibt "Die künstlerische Auffassung ihrer Porträts hatte mich schon immer begeistert."
Dabei hat sich die junge Witwe selbst erst im August 1915 in Hamburg selbständig gemacht und ist nur knapp vier Jahre älter als Anny Breer, die hier erstmalig die Möglichkeit bekommt, Porträts als sogenannte Operateurin selbst zu verantworten. Sie ist mit sich zufrieden. Die Porträts sind: "alle gleich intuitiv erfasst … und im richtigen Blick für Aufbau, Beleuchtung und Komposition... Immer mehr spürte ich, dass dieser Beruf mein Schicksal wurde und ich eine Berufung dafür hatte."
Was Anny Breer nach ihrer Zeit als Volontärin bei Wiemann zwischen Sept. 1918 und Sept. 1922 getan hat, muss vorerst offen bleiben. Nach eigenen Angaben ist sie ab September 1918 ein paar Monate im Atelier Bieber tätig, wird dort aber nicht glücklich. 1922 macht sie sich inoffiziell selbständig. In der Villa ihrer Halbschwester in der Brahmsallee funktioniert sie das ehemalige Kinderzimmer zum Atelier um. Die ersten Kunden nimmt sie mit einer geliehenen 18x24cm Atelierkamera auf, die Negative und die Abzüge entwickelt sie in einem Mietlabor für Amateurfotografen. Mit der Erteilung eines Gewerbescheins macht sie sich dann in eigenen Räumlichkeiten in der Lübeckerstraße 78 im September 1922 offiziell selbständig. Fünf Jahre baut sie sich einen Kundenstamm auf. Erste Porträts erscheinen in der Fotobeilage des Hamburger Fremdenblattes. 1927 engagiert sie das Deutsche Schauspielhaus, um Bühnenaufnahmen und Rollenporträts anzufertigen. So entstehen Fotos von der Uraufführung von Erich Wolfgang Korngolds "Das Wunder der Heliane" und SchauspielerInnenporträts u. a. von Maria Eis. Diese werden in "Der Kreis. Zeitschrift für künstlerische Kultur" veröffentlicht, eine Publikation mit Schwerpunkt auf dem Hamburger Bühnengeschehen. Aber auch Musik, bildende Kunst, Tanz und Architektur werden von Autoren wie Hans Leip, Hans Henny Jahn, Max Beckmann und anderen unter avantgardistischer Perspektive diskutiert, bis die Zeitschrift 1933 verboten wird.
Um sich geschäftlich breiter aufzustellen, bemüht sich Anny Breer erfolgreich um Aufträge im Bereich der Sach- und Architekturfotografie. 1927 fotografiert sie ausgiebig und mit fachlichen Können die neuen Glocken der St. Nikolai-Kirche. 1929 begleitet sie den Um- und Erweiterungsbau des katholischen Marienkrankenhauses in Hohenfelde. In einer 1929 anlässlich der Fertigstellung des Krankenhauses publizierten Veröffentlichung erscheinen 74 Fotografien Anny Breers, die sämtliche Gebäude des Krankenhauses von innen und außen zeigen. Dazu die Bildnisse sämtlicher Oberärzte. An ihnen zeigt sich beispielhaft Breers fotografische Herangehensweise. Sie gibt nach dem Krieg zu Protokoll: "Wenn eine Bildnisphotographie…ein Photogramm der Persönlichkeit werden soll, und kein Zufallstreffer, …so läßt sich das Wesentliche eines Menschen nur erfassen, wenn das ICH des Photographen zurücktritt."
Die Oberärzte werden von ihr vor einen dunklen Hintergrund platziert. Ein Lichtakzent im oberen linken Quadranten vermeidet den Eindruck zu starker Eintönigkeit des Hintergrundes und dynamisiert das Bild. Mal kommt das Licht von rechts, mal von links. Die Herren sitzen im Viertelprofil, leicht eingedreht, oft etwas diagonal im Bild positioniert. Per Kadrage entstehen Brust- oder Hüftbilder. Die Gesichtsausdrücke reichen von müde über nachdenklich bis hin zu aufmerksam und konzentriert. Durch diesen Einsatz ästhetischer Gestaltungsmittel gelingt es ihr, die beruflich homogene Gruppe der Oberärzte trotzdem als Individuen in ihrer je eigenen charakterlichen Verfasstheit darzustellen. Im Gegensatz dazu fotografiert sie die Räumlichkeiten menschenleer, klinisch rein, funktional.
Auch Paul Frank, als Hamburger Protagonist des Neuen Bauens verantwortlich für die Laubenganghäuser in der Jarrestadt und am Dulsberg, beauftragt sie, letzteres fotografisch zu dokumentieren. Sie passt ihren Stil der neuen sachlichen Bauform an, da sie auch hier, wie bei den Porträts, das eigene Ich in den Dienst der Sache stellt und versucht auch hier den Charakter des Gebäudes bildmäßig zu erfassen.
Vielleicht dadurch für die Lebensumstände der weniger vermögenden Bevölkerungsschichten sensibilisiert, nimmt sie 1930/31 einen Auftrag vom "roten Grafen" Alexander Stenbock-Fermor für sein Buch "Deutschland von unten" an, in dem er die sozialen Verhältnisse anprangert. Eine Hamburger Arbeiterfamilie sitzt auf Breers Foto rund um den Küchentisch in einer alten, heruntergekommenen Wohnung. Ein Bild, das genau die Verhältnisse zeigt, die zu ändern sich der Autor des Buches und die Architekten des Neuen Bauens auf die Fahnen geschrieben haben.
Mittlerweile sind gut 10 Jahre seit dem Beginn ihrer Selbstständigkeit vergangen. Die Zeiten, in denen das Kinderzimmer als behelfsmäßiges Atelier herhalten muss, sind Geschichte. Stattdessen kann sie nun, im April 1933, mit vier MitarbeiterInnen mit ihrem Atelier an den Neuen Wall Nr. 2, Ecke Jungfernstieg, umziehen. Anny Breer hat die Räume von Hans Leip übernommen und bleibt dort bis zur völligen Ausbombung im Juli 1943. In den Jahren dazwischen beginnt sich ihr Ruf über die Grenzen Hamburgs auszubreiten. Seit mindestens 1927 stellt sie aus. So bei "Frauenschaffen des 20. Jahrhunderts" in Hamburg neben Paula Modersohn-Becker und Käthe Kollwitz und ihrer ehemaligen Lehrerin Minya Dührkoop. 1929 stellt sie in der Altonaer Kunstausstellung neben den FotografInnen der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens wie Renger-Patzsch, Herbert und Irene Bayer, Aenne Biermann, Hans Finsler, und den Geschwistern Leistikow aus, ohne sich jedoch in ihrem Stil durchgehend dem Neuen Sehen oder der Neuen Sachlichkeit verpflichtet zu fühlen. 1932 und 1933 zeigt sie Fotos neben den lokalen aber überregional bekannten FotografInnen Olga Linckelmann und Lotte Genzsch. 1936 stellt sie in den Räumen des Werkbundes an der Rothenbaumchaussee aus und veranstaltet selbst Atelierausstellungen und Künstlerfeste in ihrem neuen Atelier. 1938 erzählt sie im Rahmen der Rundfunksendung "Schaffende Frauen in Hamburg", wie sie zur Fotografie kam.
Durch die totale Zerstörung von Wohnung und Atelier 1943, die sie überlebt, weil sie zu der Zeit zur Kur in Marienbad weilt, ist sie erneut mit Existenzängsten konfrontiert. Als Notlösung zieht sie wieder in die Brahmsallee zu ihrer Stiefschwester. Erst 1946 findet sie neue Räume in einem teilzerstörten Gebäude am Speersort 8. Die Mühen der Reparaturen, die Existenzängste, eine Krankheit, verzögern die Ateliereröffnung bis zum 15.11.1947 in Mitten einer Trümmerlandschaft. Als ihr Erspartes 1948 durch die Währungsreform vernichtet wird, ist sie verzweifelt. Aber eine Ausstellung ihrer Fotos 1948 unter dem Titel "Köpfe aus dem kulturellen Leben Hamburgs " und Kredite helfen über das Ärgste hinweg, bis sie sich wieder gefangen hat. 1954 wird die letzte Baulücke am Ballindamm 35 geschlossen. Sie bekommt die Möglichkeit dort ein Atelier einzurichten. Zurück an der Alster, in ihrem Wohn- und Fotoatelier wird sie nun noch 14 Jahre ihrem Beruf nachgehen. Auf der "Bildausstellung deutscher Berufsfotografen" 1955 bekommt sie eine Ehrenurkunde für ihren Beitrag. Sie hat keine Altersversicherung und muss daher bis ein Jahr vor ihrem Tod arbeiten. Ihr Alter verschweigt sie, aus Furcht, es könnte geschäftsschädigend wirken. Aber die Kundschaft bleibt ihr treu. Neben der Hamburger Prominenz aus Kunst, Politik und Wirtschaft fotografiert sie nationale Bekanntheiten wie Marie Luise Kaschnitz und Werner Finck und Weltstars wie José Ortega y Gasset und Pierre Boulez. Ihre Assistentin, Waltraut Frisch, übernimmt das Atelier, als Anny Breer 1968 in den Ruhestand geht.
Breer schreibt an Fritz Kempe wenige Monate vor ihrem Tod:
"Das Leben ist nach meiner heutigen Erfahrung und im Rückblick auf alles Mühen absurd, nur auf den Tod hingelebt. Aber wenn der Mensch sich ganz auf sich selbst stellt, in eigener Verantwortung und im vollen Bewusstsein, dass er zuletzt doch allein ist, kann er daraus eine Kraft entwickeln, die ihm Widerstand verleiht." Widerstand auch gegen eine berufliche Konkurrenz, die über ihr 40 jähriges Berufsleben in kaum einer anderen Stadt, abgesehen vielleicht von Berlin und München, so hart ist wie in Hamburg.
Anny Breer stirbt an dem Tag, an dem mit Neil Armstrong zum ersten Mal ein Mensch seinen Fuß auf den Mond setzt, am 21. Juli 1969.
Text: Klaas Dierks

Quelle: privat
Hildegard (Hilde) Claassen, geb. Brüggemann
Leiterin des Claassen Verlages
21.4.1897 Linnich - 16.2.1988
Alte Rabenstraße 12 (1. Verlagsadresse
) Moorweidenstraße 14 (2. Verlagsadesse)
Parkallee 42 (3. Verlagsadresse)
Leinpfad 70 (Wohnadresse)
Ihr Grabstein steht im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof
Hildegard Brüggemann entstammte einem Pastorenhaushalt. Von 1913 bis 1916 besuchte sie ein Gymnasium in Aachen; von 1916 bis 1920 studierte sie Germanistik, Romanistik und Kunstgeschichte an der Universität München. 1920 erfolgte die Promotion.
Hildegard Brüggemann war Mitbegründerin der Kunstgalerie Franz M. Zatzenstein/Matthiesen, "deren Inhaber 1934 nach London emigrierten".
Bis zu ihrer Eheschließung mit Eugen Claassen arbeitete sie in München und Berlin an Ausstellungen über Daumier und Toulouse-Lautrec mit." 1) 1925 zog Hildegard Brüggemann nach Frankfurt a. M. und heiratete 1926 Eugen Claassen, den Leiter des dortigen Societäts-Verlages. Kennengelernt hatten sich die beiden im "Bund freier Menschen" um Oskar Maria Graf, als Hildegard Brüggemann noch studierte und damals mit den Schriftstellerinnen Regina Ullmann und Hertha König zusammenwohnte. Über seine Freundin erhielt Eugen Claassen auch Kontakt zu Nolde, Kirchner und George Grosz.
Ein Jahr nach der Hochzeit wurde die Tochter Judith geboren.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde die Möglichkeit einer Emigration aus Deutschland diskutiert. "Ausschlaggebend für die Entscheidung des Ehepaares gegen die Emigration aber wird gewesen sein, daß Claassen, wie auch Hilde Claassen in ihren Erinnerungen notiert, die unter Intellektuellen sogar in Exilkreisen noch im Frühjahr und Sommer 1934 weitverbreitete optimistische Fehleinschätzung teilte, daß, ‚alles bald vorüber' sein würde." 2)
1934 gründeten H. Goverts und Eugen Claassen den Claassen Verlag. Die erste Verlagsadresse war die Hamburger Alte Rabenstraße 12: die Privatwohnung von Goverts.
Zur Verlagsgründung kam es, weil sich Eugen Claassen wie auch Henry Goverts: "nach 1933 in ihrer Arbeit stark eingeschränkt gesehen [hatten]; Goverts verlor seine Lehrerlaubnis an der Universität, Claassen konnte im Frankfurter Societäts-Verlag nicht mehr die Bücher herausbringen, die seiner liberalen Haltung entsprochen hätten. Die Gründung des eigenen Verlages war eine Art Flucht nach vorn ? Goverts sorgte für die finanziellen Voraussetzungen, Claassen für die nötige Verlagserfahrung, (…).3)
Hildegard Claassen war von der Idee einer Verlagsgründung anfangs nicht begeistert. Darüber schrieb sie 1972 "in einem Geburtstagsbrief an Henry Govers: '(…) als Du uns im Frühjahr 1934 in Frankfurt besuchtest, da bezogen sich unsere Gespräche alle auf ein einziges Thema: den Verlag, den Du mit Eugen gründen wolltest, und der in Hamburg seinen Sitz haben sollte. Ich weiß noch genau, wie erschrocken ich im Anfang über diesen Plan war, denn er durchkreuzte unseren Wunsch, aus Deutschland fortzugehen. Damals während eines Spazierganges über die Ginnsheimer Höhe, erzählte ich Dir, daß ich gerne wieder die Leitung einer Bildergalerie übernähme, ‚meiner' Galerie, wie Eugen sie immer genannt hat, die in London eine Filiale eröffnen wollte. Aber Du meintest, Hamburg sei immer noch imstande, es mit London aufzunehmen.'" 4)
Der Verlag wurde gegründet. "Gemeinsam suchten sie [die Verleger] einen Weg, ihrer politischen Haltung durch die Literatur Nachdruck zu verleihen, vermieden die Veröffentlichung nationalsozialistischer Autorinnen und Autoren, förderten junge und hielten Kontakt zu emigrierten Schriftstellern. Ein erster Bestseller gelang dem Haus 1937 mit der deutschen Ausgabe von Margaret Mitchells ‚Vom Winde verweht'. Bis zum Juli 1941 war das Buch 276.900 mal verkauft und finanzierte so das stetig wachsende Literaturprogramm, zu dem unter anderem Marie Luise Kaschnitz, Heinrich Mann, Elisabeth Langgässer, Elias Canetti, Erich Fried, Irmgard Keun und Marlen Haushofer gehören sollten. Auch das Werk Hermann Melvilles wurde hier für die deutsche Leserschaft entdeckt, nicht anders die Bücher von Evelyn Waugh, Cesare Pavese und Pablo Neruda.
Nach dem Krieg bekam der Verlag deshalb als einer der ersten von der Britischen Besatzungsmacht die Lizenz, sich unter der Firmierung Claassen & Goverts neu zu gründen. Bis sich die beiden Gründer 1947 trennten und Claassen seinen Verlag bis zu seinem Tod 1955 allein weiterführte." 5)
Zurück zu Hildegard Claassen: Im April 1936 zog sie mit ihrer Tochter nach Hamburg - ihr Mann war bereits ein Jahr zuvor dorthin gezogen. Die Claassens wohnten damals in der Körnerstraße 21, der Verlag befand sich nun in der Moorweidenstraße 14.
Hildegard Claassen wurde die engste Mitarbeiterin ihres Mannes. In den ersten Jahren des Bestehens des Verlages hatte sie entscheidend bei der Auswahl deutschsprachiger sowie englisch- und französischsprachiger Romanmanuskripte mitentschieden. Eugen Claassen verließ sich auf das Urteil seiner Frau. Lehnte sie ein Manuskript ab, dann wurde das Manuskript nicht angenommen. 6)
In der NS-Zeit war Hilde Claassen von 1936-1945 Mitglied der NSV (nationalsozialistische Volkswohlfahrt) und von 1940-1945 im Luftschutz. 7)
Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1955 führte Hildegard Claassen den Verlag allein weiter. Dazu äußerte sie: "Für die Nachfolgerin [von Eugen Claassen] war es eine Selbstverständlichkeit, alles zu tun, um die vorgezeichneten Linien des Verlagsgesichts im Geist des Begründers weiterzuführen. Das sollte aber nicht heißen, daß ängstlich am Überkommenen festgehalten werden mußte, denn immer wieder machte ich die Erfahrung, daß ein Buch seine volle Wirksamkeit erst in einem bestimmten Zusammenhang, wie er etwa von den Zeitumständen oder den Strömungen in der Literatur bestimmt wird, zu entfalten vermag …
Der Hauptakzent lag auf der zeitgenössischen deutschen Literatur. Der Verlag brachte Prosa von Christian Geißler, Geno Hartlaub, Gustav Schenk, Thomas Valentin, Prosa und Lyrik von Marie Luise Kaschnitz, Lyrik von Cyrus Atabai, Erich Fried, Walter Helmut Fritz, Peter Jokostra, Urs Oberlin, Johannes Poethen. Besonders hingewiesen sei auf die Bücher von Ernst Weiß, die lange Zeit verschollen waren, und auf die großen Werksausgaben von Elisabeth Langgässer und Karl Wolfskehl und auch auf die Gesamtausgabe von Heinrich Mann, die als Lizenzausgabe vom Aufbau Verlag übernommen wurde. (…)." 8)
Das Verlagsgeschäft war in den 1960er ziemlich schwierig. "Mancherlei Überlegungen und Verhandlungen in den Jahren 1965 und 1966 galten darum der Zukunft des Verlages, für den Hilde Claassen auch ihres Alters wegen nicht länger allein die Verantwortung tragen wollte." 9) 1967 verkaufte Hildegard Claassen den Verlag an die Econ Verlagsgruppe, in der der Claassen Verlag unter seinem Namen fortbestand und Hildegard Claassen als Cheflektorin im Verlag tätig blieb. "Das Lektorat blieb deshalb noch bis 1972 in Hamburg. In dieser Zeit hat Hilde Claassen aus der historischen Verlagskorrespondenz die Briefwechsel ihres Mannes mit Autoren und Übersetzern ausgewählt, die dann zusammen mit seinen Aufsätzen 1970 zum 75. Geburtstag Eugen Claassens erschienen." 10)
Hildegard Claassen erhielt 1967 das Verdienstkreuz 1. Klasse.
"Seit 2004 gehörte Claassen zur Verlagsgruppe Ullstein Buchverlage, die es in der heutigen Zusammensetzung seither gibt. 2009 wurde dann das Programm von Claassen stillgelegt, (…), um das literarische Profil von Ullstein zu schärfen, Ullstein stärker für Literatur zu öffnen. Über zehn Jahre später wird das Imprint nun wieder belebt." 11)
Text: Rita Bake
Quellne:
1) Anne-M. Wallrath-Janssen: Der Verlag H. Goverts im Dritten Reich. München 2007, S. 23, Fußnote 17. (Archiv für Geschichte des Buchwesens, Studien 5.)
2) Anne-M. Wallrath-Janssen, a. a-. O., S. 40.
3) Börsenblatt des deutschen Buchhandels 27. September 2019, unter: https://www.boersenblatt.net/2019-09-27-artikel-ullstein_laesst_claassen_wieder_aufleben-erstes_programm_im_fruehjahr_2020.1733468.html
4) Eugen Claassen. Von der Arbeit eines Verlegers. Bearbeitet von Reinhard Tgahrt unter Mitarbeit von Huguette Hermann, Gudrun Karlewski und Monika Waldmüller, in Marbacher Magazin, 19/1981.
5) Börsenblatt des deutschen Buchhandels, a. a. O.
6) Vgl.: Anne-M. Wallrath-Janssen, a. a. O., S. 102.
7) Staatsarchiv Hamburg, 221-11_74575
8) Hilde Claassen in dem Aufsatz: "Geschichte des Claassen Verlages" 1969. Zit. aus: Proben und Berichte. Ein Almanach zum fünfzigjährigen Bestehen des Verlages. 1934-1984.
9) Anne-M. Wallrath-Janssen, a. a. O. S. 27.
10) Marbacher Magazin, a. a. O., S. 30.
11) Börsenblatt des deutschen Buchhandels, a. a. O.
Molly und Helene Cramer
Molly und Helene Cramer um 1900
Malerinnen
25.6.1852 Hamburg - 18.1.1936 Hamburg
13.12.1844 Hamburg - 14.4.1916 Hamburg
Die Schwestern waren die Töchter des wohlhabenden Kaufmanns Cesar Cramer. Erst nach dessen Tod 1882 begannen sie mit ihrer künstlerischen Ausbildung, da er seinen Töchtern untersagt hatte, Malerinnen zu werden. Sie ließen sich bei dem Antwerpener Maler Eugéne Joors ausbilden und malten Still-leben. Molly malte später auch Landschaften und Portraits, Helene hauptsächlich Blumenstillleben. Die Schwestern waren mit ihren Werken auf den großen deutschen Ausstellungen vertreten und unterstützten Mitglieder des Hamburger Künstlerclubs von 1897. Ihr Elternhaus in der Karlstraße 18 wurde zu einem beliebten Treffpunkt von Maler/innen- und Kunstfreundinnen und -freunden. Molly konnte sich durch Ausstellungen in Budapest, London, Moskau und Chicago internationales Ansehen verschaffen.
Minna Dittmer, geb. Heerwagen
Pseudonyme: Margot Werner u. Marie D.
Schriftstellerin
18.10.1840 Wandsbek - 17.8.1923 Hamburg
Über Minna Dittmers Herkunft und Lebensgeschichte ist leider nichts zu ermitteln. Der Eigenverlag für einige ihrer Publikationen (so für das Werk "Durch Mitteilung zum Verständnis, durch Verständnis zur Zufriedenheit. Eine philosophische Skizze." Hamburg 1888) in Harvestehude sowie Themen und Stil ihrer Veröffentlichungen legen die Vermutung nahe, dass Minna Dittmer gebildeten, wohlhabenden gesellschaftlichen Kreisen angehörte und sich in der bürgerlichen Frauenbewegung engagierte.
In ihrem unter dem Pseudonym Margot Werner erschienenen Werk "Eine Zeitfrage in 5 Bildern", Hamburg ca. 1888, fasst sie in fünf dialogischen Szenen ihre Philosophie der bürgerlichen Frauenbewegung unter der Fragestellung
zusammen: "Schafft es sittlichen Nutzen, wenn das weibliche Geschlecht gewerbliche, künstlerische, wissenschaftliche Vorbildung - unter Umständen Ausbildung - genießt zum Zweck selbständigen Schaffens?" So bessert in der zweiten Szene eine begabte Pianistin die familiäre Haushaltskasse auf, indem sie Töchtern aus dem Freundeskreis Musikunterricht erteilt. Sie überzeugt ihren Gatten, der bis dahin eine Erwerbsarbeit seiner Frau als demütigend empfunden hatte, vom Sinn eines solchen Tuns in einer wirtschaftlichen Notlage. In der dritten Szene setzt die Freundin einer gutbürgerlichen Tochter das Studium der Zahntechnik (!) durch und macht sich selbstständig. Obendrein ist sie glückliche Ehefrau und Mutter. Nachdem der eitle Vater der gutbürgerlichen Tochter als Wirtschaftsbetrüger entlarvt wird, verlässt er die Familie. Seiner Tochter ist es nicht möglich, etwas zum Unterhalt der Familie beizutragen, weil der Vater ihr ein Studium und eine Erwerbsarbeit verboten hat. In der vierten Szene bessert eine Mutter als Schneiderin diskret das schmale Lehrergehalt ihres Ehemannes auf. Sie kleidet die fünfköpfige Familie ein und sorgt für ein schönes Wohnungsinterieur. Alle ihre Kinder, auch die Mädchen, erlernen Berufe: Retuscheurin, Kalligraphin, Buchhalterin, Schriftsetzer. Zur Silberhochzeit der Eltern ermöglichen ihnen die Kinder einen dringend benötigten Kuraufenthalt. Die fünfte Szene spielt in einer antiken Republik und zeigt einen fiktiven Dialog zwischen einer "Frau Doktorin" und der Frau eines Handwerkers.
Minna Dittmers 56 Seiten umfassendes Büchlein "Maria. Eine Legende", Hamburg 1887, ist "Seiner Durchlaucht, dem Fürsten Bismarck, in Bewunderung und Ehrfurcht zugeeignet". Zitat aus dem Epos: "Kampf ist Beruf des Mannes zur Lösung der Probleme. Problem des Weibes ist: Sich selber zu erkennen und Wunden mild zu heilen, was feindlich, zu versöhnen."
Minna Dittmer verfasste auch Gedichte, so "Naturkinder. Gedichte", Verlag v. J. F. Richter, Hamburg 1887, oder das Buch "Philo-Sophia oder Weisheitsliebe, Lebensweisheit. Ein Versuch, dem weiblichen Geschlechte die Lehren und Schriften der Philosophen Sokrates und Plato durch Kürze und Einfachheit mehr zugänglich zu machen und dessen Aufmerksamkeit auf die Schriften selbst hinzulenken." Stuttgart 1889.
Eva Gaehtgens, verh. Bertels
Schriftstellerin
4.11.1872 - 31.1.1951 Hamburg
Eva Gaehtgens war die Tochter des Gutsverwalters und Kreischefs in Wenden (heute: Cesis) im Norden Lettlands, Johann Friedrich Gaehtgens, und seiner Frau Caroline, geb. Schilling. Die Familie mit ihren acht Kindern lebte in der Nähe vom legendären Schloss Stomersee im damaligen Livland bzw. Kurland.
Die romantische Seite ihrer Kindheit beschreibt die Schriftstellerin in ihren Büchern mit Erzählungen wie "Alt Livland. Heitere Bilder aus dem Baltikum" oder den Bänden "Großmutters Landgut" sowie "Winterleben". Anschaulich und idealisiert schildert sie die Innenwelt ihrer Kindheit, "als Livland dem sorglos spielenden Kinde glich, das mit jedermann gut Freund ist. Damals gab es keinen Druck von oben, keine Feindschaft nach unten. Die gute alte Zeit!"
Ihre autobiographischen Erinnerungen, in denen sie z. B. auch volkskundliche Skizzen von Festen im Jahreslauf beschreibt, beziehen sich auf die Zeit etwa zwischen 1885 und dem Ende des 19. Jahrhunderts.
Die Bücher wurden ab 1918 in der Agentur des Rauhen Hauses, dem Verlag des Rauhen Hauses, Hamburg, verlegt. Sie erschienen in einer Reihe von Publikationen, die der Verlag im Rahmen der "Inneren Mission" als pädagogische Literatur vertrieb.
1906 heiratete Eva Gaehtgens im Alter von 35 Jahren Julius Bertels. Nach der Hochzeit soll sie ihrem Mann an seinen Wohnort Rostow am Don gefolgt sein und ihn während der Ehe auf seinen Reisen durch das damalige Südrussland und Persien begleitet haben. Das Paar soll sechs Kinder gehabt haben.
Vor dem Ersten Weltkrieg lebte die Familie Bertels wieder in Wenden. Während des Krieges hielt sich Eva Bertels bei ihrem Schwager, Pastor Max Glage, in Hamburg auf, und zwischen 1918 und 1919 wieder in Wenden, wo sie die für sie traumatischen Revolutionsereignisse erlebte, die sie in der 1925 erschienenen Schrift "Unter dem roten Grauen" verarbeitete. Ihr Mann Julius Bertels wurde 1918 auf dem Gut seines Cousins von Bolschewiki ermordet.
Nach 1919 siedelte Eva Gaehtgens endgültig nach Hamburg über. Dorthin bestanden enge verwandtschaftliche Verbindungen: So wohnte nicht nur ihr Schwager in Hamburg, sondern auch ihr Cousin, der Dramatiker und Erzähler Hermann Gaehtgens.
Im Zweiten Weltkrieg wurde Eva Gaehtgens zweimal ausgebombt und lebte danach in Posen.
In ihrer hauptsächlich an Kinder gerichteten Hamburg-Literatur sparte sie den Zweiten Weltkrieg nicht aus. Sie beschrieb ihn tröstlich als soziales Ereignis, das den Vater von zu Hause wegnimmt bzw. verändert zurückkehren lässt.
In ihren Kinderbüchern beschreibt Eva Gaehtgens Eltern und Erwachsene stets als einfühlsam, verständnisvoll und nachsichtig belehrend. Ihre beispielhaften Erzählungen sollen Kinder etwa zu Fairness, Mut, Sparsamkeit und Frömmigkeit anhalten.
Eva Gaehtgens' Kinderbücher erlebten eine weite Verbreitung, worauf hohe Auflagen von 10.000 Exemplaren hindeuten.
Marie Groot, geb. Schär

29.4.1898 Ohe/Kr. Stormarn - 20.5.1946 Hamburg
Marie Groot war verwandt mit den Inhabern der Kunsthandlung Groot am Klosterstern 6, die Henry Groot gehörte, und dem Postkarten-Großvertrieb und Verlag Martin Groot in der damaligen Königstraße 25 (Groot-Haus), der heutigen Poststraße in der Hamburger Innenstadt. Das Kunsthaus Groot in der Königstraße kaufte und verkaufte Brillanten, Gold- und Silberwaren, Orient-Teppiche und Gemälde bekannter Meister.
Unmittelbar nach Marie Groot's Tod im Jahre 1946 erhielten die Bildhauer Karl Tuchardt (1907-1984) und O.G. Hermann Perl (1878-1967) den Auftrag, das Grabmal für die Familiengrabstätte Groot herzustellen und schufen einen lebensgroßen marmornen weiblichen Akt, mit den Händen an Schulter und Schenkel ein großes Cape haltend, das die Gestalt hinterfängt. Zu Füßen der nackten Frauengestalt sitzt ein Dackel.
Die Skulptur wird unterschiedlich interpretiert. Einige deuten sie als eine Allegorie der "Tierliebe", zu Ehren einer Frau, die Mitgefühl für alle leidenden Wesen hatte. Als deren Stellvertreter schaut der kleine Dackel zu Füßen der weiblichen Figur aufmerksam zu ihr hinauf, während sie mit der rechten Hand schützend ihren Mantelsaum um ihn legt.
Diese Auslegung entspricht den Aussagen von Mitgliedern der Familie Groot. Sie berichten, dass es sich bei dem Dackel um Marie Groot's Hund Peppi handelt. Die Familie Groot schätzte Dackel als Haushunde. Ob die Skulptur Marie Groot selbst darstellen soll, ist nicht bekannt. Überhaupt ist bislang wenig über Marie Groot's Leben und Wirken in Erfahrung gebracht worden. Deshalb steht die Skulptur symbolisch für die vielen Frauen, denen wertschätzende Erinnerung nicht zuteil wird.
Andere interpretieren die nackte Frauengestalt mit Hund als Artemis, die Göttin der Jagd, des Waldes und des Mondes sowie die Hüterin der Frauen und Kinder. Die "Herrin der Tiere" wurde von jungen Frauen und Hunden begleitet. Artemis schützte Frauen jeden Alters sowie Kinder beiderlei Geschlechts.

Das Umsetzen der Skulptur in den Garten der Frauen sowie entsprechende landschaftsarchitektonische Maßnahmen und die Infotafel wurden gefördert durch die Freie und Hansestadt Hamburg, Kulturbehörde
Charlotte Hilmer
Malerin, Expressionistin
4.5.1909 Hamburg - 7.5.1958 Hamburg
Nach dem Abitur 1928 studierte Charlotte Hilmer von 1928 bis 1933 an verschiedenen Kunstschulen, so von 1928/29 an der Landeskunstschule in Hamburg; von 1929/30 an der Kunstakademie in Königsberg und von 1930 bis 1933 an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Während ihres Studiums beschäftigte sie sich hauptsächlich mit dem Aktstudium. Nach ihrer Ausbildung malte sie Personendarstellungen, Portraits und Stilleben. Nach 1941schuf sie auch Landschaften in Aquarell und Öl.
In der Zeit des Nationalsozialismus konnte sie sich künstlerisch nicht frei entfalten. Ihren eigenen auf dem Expressionismus basierenden Stil entwickelte Charlotte Hilmer erst ab 1950 bis zu ihrem Tod 1958.
Studienreisen führten sie nach Holland, Italien und Dänemark. Seit 1939 hatte sie Kollektiv- und Einzelausstellungen, so z. B. in der Hamburger Kunsthalle, in Lübeck, Darmstadt und Göttingen.
Werke von Charlotte Hilmer befinden sich in der Hamburger Kunsthalle, im Märkischen Museum Witten und in Privatsammlungen.
Verheiratet war Charlotte Hilmer mit dem Bildhauer Arnold Hilmer (1908-1993). Das Paar hatte eine Atelierwohnung in der Langen Reihe im Hamburger Stadtteil St. Georg. Später lebten beide in der Etzestraße in Hamburg Fuhlsbüttel.

Photo aus: Meinhardt, Adalbert: Aus wieler herren Länder. Ausgewählte Aufsätze. Leipzig 1912.
Marie Hirsch - alias Adalbert Meinhardt
Schriftstellerin und Übersetzerin
12.3.1848 Hamburg - 17.11.1911 Hamburg
Marie Hirschs Bücher handeln von glücksuchenden Menschen. Es siegt immer die Besinnung auf die innere Pflicht und Würde. Häufig sind es die Frauen, denen das gelingt, die sich im Streit zwischen Liebe, Stolz und Würde auf letztere besinnen. Marie Hirsch kam aus einer großbürgerlichen Familie und veröffentlichte ihre Romane unter einem männlichen Pseudonym. "Das Pseudonym hatte ich angenommen, um möglichst unentdeckt und ungestört arbeiten zu können. Später, als es doch bekannt ward, hätte ich viel lieber meinen eigenen Namen auf den Titel meiner Bücher gesetzt, doch mußte ich mich dem Wunsche meiner Verleger fügen und den männlichen Schriftstellernamen beibehalten." In einem ihrer Romane heißt es: Vor dem kritischen Auge eines Rezensenten habe nur die männliche Autorschaft Bestand.
Emma Israel
Bildquelle: aus: Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 2. Hamburg 2001, S. 216.

Malerin
26.10.1898 Hamburg - 21.2.1994 Hamburg
Emma Israel entstammte einer wohlsituierten jüdisch-orthodoxen Kaufmannsfamilie, die in der Hochallee 104 lebte. Ihr Vater, Max Adolf Israel, verdiente sein Geld im Im- und Export mit Südamerika. Ihre Mutter, Louise, geb. Magnus, war Christin und Hausfrau und Mutter. Emma Israel wurde mit ihren beiden älteren Geschwistern im jüdisch-orthodoxem Glauben erzogen.
Schon als Kind begann Emma Israel zu zeichnen. Ihre ersten Werke sind Kinderzeichnungen aus einem Sinti-Lager in Altona. Doch ihr Wunsch, Malerin zu wer-den, stieß bei den Eltern auf Ablehnung. Dennoch absolvierte Emma Israel gegen den Willen ihrer Eltern eine künstlerische Ausbildung an der Malschule von Gerda Koppel, später bildete sie sich bei dem Maler und Grafiker Heinrich Stegemann weiter. In den 1920er Jahren schuf sie feine künstlerische Stickbilder. "Ihre frühen Gemälde zeigen Einflüsse der französischen Malerei, besonders Cézannes, aber auch der Hamburgischen Sezession. (…)
Vor 1936 ging Emma Israel ein Jahr lang mit einem Mann auf Vagabondage, was sie auf Veranlassung der Familie mit einem Jahr Landarbeit fern von Hamburg büßen musste."1)
Während der NS-Zeit konnte "die Familie bis 1938 in relativ ungestörten Verhältnissen leben. Max Israel gelang es, Anfang der 1940er Jahre zu erwirken, dass das Haus in der Hochallee zum ‚Judenhaus' erklärt wurde, so dass die Familie dort verbleiben konnte".1) Allerdings musste sie Platz machen für weitere 40-50 Menschen. "Die Firma Stapel & Israel wurde 1941 zwangsweise als ‚nicht-arisch' gelöscht."1) In dieser Zeit wurde Emma Israel zu Zwangsarbeit in der Munitionsherstellung herangezogen. "Durch eine mutige Intervention bei der Gestapo konnte sie ihre Familie vor nächtlichen Übergriffen und vor der Deportation retten, indem sie ihren ‚Mischlings'-Status nachwies. (…) Die künstlerische Arbeit musste die Malerin einstellen." 1)
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus verdiente sich Emma Israel ihren Lebensunterhalt mit dem Kolorieren und Fälschen alter Stiche und dem Verkauf von Carepaketen auf dem Schwarzmarkt "Als Malerin blieb sie unbekannt und hatte zu Lebzeiten keine Ausstellung. Zum Lebensunterhalt kolorierte sie sehr geschickt Landkarten und Hamburgensien für Antiquare, die sie nach alter Weise aus Buchausrissen von unkolorierten Stahlstichen herstellte und patinierte. Zu Lebzeiten verkaufte sie sämtliche eigenen Bilder. Wenige Arbeiten befinden sich in Privatbesitz in Hamburg"1)
1975, als 80 Jährige, fungierte sie als Komparsin in Eduard Fechners Film "Tadellöser & Wolf", der u. a. in ihrem Haus in der Hochallee 104, das sie von ihren Eltern geerbt hatte, gedreht wurde.
Im Alter verschenkte sie ihre Besitztümer. "Ihr kleines ererbtes Vermögen erschlich ein Heilpraktiker, bis sie verelendete und auf Sozialhilfe angewiesen war." 1)
Text zusammengestellt aus Texten von Dr. Maike Bruhns über Emma Israel
Quellen:
Maike Bruhns: Emma Israel, in: Der neue Rump. Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs. Überarbeit. Neuaufl. d. Lexikons von Ernst Rump. Hrsg. von Familie Rump, ergänzt, überarbeitet u. auf d. heutigen Wissenstand gebracht von Maike Bruhns. Neumünster 2013, S. 214.
1) Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 2: Künstlerlexikon Hamburg 1933-1945. Verfemt, verfolgt - verschollen, vergessen. Hamburg 2001, S. 216.

Photo: privat

Irmgard Kanold
Bildhauerin
9. 2. 1915 Hamburg - 25.4.1976 Hamburg
Die Tochter der Hamburger Kaufleute Max Kanold und Johanna Kanold, geb. Hartmann, wuchs im Eilbektal auf. Ihre erste zweijährige Ausbildung erhielt sie bei dem Hamburger Bildhauer und Keramiker Jürgen Heinrich Block. Mitte der 1930er Jahre studierte sie bei Edwin Scharff an der Akademie Düsseldorf und anschließend noch einmal eineinhalb Jahre an der Münchner Akademie der bildenden Künste bei dem Bildhauer Bernhard Bleeker. Dann ließ sie sich zeitlebens in ihrer Heimatstadt Hamburg nieder.
In Hamburg hatte sie ein Atelier in der Hamburger Straße 192, unter der U-Bahnbrücke Dehnheide, wo sie zeitweilig in Kriegs- bzw. Nachkriegszeiten auch wohnte, bis sie Ende der 1950er Jahre mit ihrer Mutter nach Hamburg Groß-Flottbek zog. Die dortige Wohnung in der Waitzstr. 59 blieb auch nach dem Tod der Mutter im Jahre 1966 Irmgard Kanolds Zuhause. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod 1976. Auch ihr langjähriger Lebensgefährte, der Astrologe Eggers, wohnte dort.
Nach dem Tod des Vaters übernahmen Mutter - als Geschäftsführerin/Inhaberin - und Tochter - als Prokuristin - die im Handelsregister eingetragene Firma Max Kanold - Chemische Fabrik, die beim Tod der Mutter 1966 auf ihre Tochter als Firmeninhaberin überging. Welche Aktivitäten damals noch in der Firma entfaltet wurden, ist wie so vieles im Lebenslauf von Irmgard Kanold leider nicht bekannt.
Die zeitlebens unverheiratet gebliebene Bildhauerin war Vegetarierin und folgte ihrem Lebensgefährten als Anhängerin der von diesem vertretenen Hohlraumtheorie.
Der Verbleib ihrer Werke ist weitgehend unbekannt. Irmgard Kanold nahm zwischen 1938 und 1941 an mehreren Gemeinschaftsausstellungen Hamburger Künstlerinnen und Künstler im Kunstverein Hamburg mit Plastiken (Portraits) in Bronze, Kunststein, Holz und Gips teil. Sie unterrichtete Privatschüler und gestaltete Altar- und Krippenfiguren sowie Grabsteine; so auch ihren im Garten der Frauen aufgestellten Grabstein, einen trauernden Schwan.
Erni Kaufmann (geb. Handke)
Photo: privat
Musikerin in Damenorchestern
3.6.1906 Witten a. d. Ruhr - 11.10.1957 Hamburg
Die musikalische Begabung der Geschwister Erni und Adolf Handke (31.12.1908-11.3.1975) zeigte sich schon früh. Ernis Bruder Adolf war von 1938 bis 1952 Erster Waldhornist im Berliner Philharmonischen Orchester, Ernis musikalische berufliche Laufbahn begann und endete in Hamburg in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Erni Handke spielte professionell Geige, Saxophon und Akkordeon. Sie trat u. a. mit dem Deutschen Damenorchester der Lissi vom Uhlenborn und mit dem Meistergeiger Ernesto Arcari aus Neapel im "Damen Attraktions-Orchester" auf. Sie gastierte mit den Damenorchestern u. a. im Haus Vaterland in Hamburg, einem "Konzertkaffee" mit Varieté und einem Tanzraum, in dem internationale Tanzkapellen auftraten. Das Repertoire der Damenorchester reichte von der U- bis zur E-Musik. Neben ihren künstlerischen Fertigkeiten hatten die Musikerinnen jung, schlank, elegant und äußerst attraktiv zu sein, um den Geschmack des zahlungskräftigen männlichen Publikums zu befriedigen. Gleichzeitig mussten die Musikerinnen, um in diesem Unterhaltungsgenre bestehen zu können, gefestigte Persönlichkeiten sein, die über selbstbewusste künstlerische Souveränität gepaart mit einem dezenten bescheidenen weiblichen Auftreten verfügten. Letzteres war von besonderer Überlebensnotwendigkeit, um sich gegen die immer wieder aufkommenden Verdächtigungen der Prostitution zu erwehren. Ihre sittsame, unschuldige
und elegante-dezente Erscheinung wurde auch durch ihre Kleidung unterstrichen. Oft traten die Musikerinnen in Trachten oder in langen weißen ohne raffinierten Schnitt geschneiderten Kleidern auf.
Männliche Musiker sahen in den Damenorchestern oft eine Konkurrenz, die sie mit unlauteren Mitteln bekämpften. So unterstellten sie den Damen sittenloses und unmoralisches Verhalten, diskriminierten ihre Tätigkeiten als minderwertige künstlerische Arbeit und traten für ein Verbot von Damenkapellen ein. Doch solche Verbote konnten nicht durchgesetzt werden, denn die Damen galten als eigenes Unterhaltungsgenre mit einer besonderen Anziehungskraft, die männliche Musiker nicht aufweisen konnten. Allerdings schlug sich dies weder in der Höhe der Gagen noch in der gesellschaftlichen Anerkennung der Musikerinnen nieder. So schrieb Erni Kaufmann am 12. März 1927 aus Köln an ihre Familie: "Wir ziehen weit umher in der Welt, spielen und singen für weniges Geld. Menschen sieht in uns keiner. Zigeuner."
Die Engagements lagen zwischen einigen Wochen und mehreren Monaten. In jeder neuen Stadt, in der die Musikerinnen auftraten, mussten sie bei der Meldebehörde vorstellig werden und ihr Führungszeugnis vorweisen. Auch kam es vor, dass sie ihren sittlich-moralischen Lebenswandel zu erklären hatten.
Im April 1942 heiratete Erni Handke Schorsch Kaufmann. Er wurde 1945 als Soldat im Zweiten Weltkrieg getötet.

Photo: Hamburger Theatersammlung. Klafsky als Brünnhilde in Wagners "Ring der Nibelungen", Hamburger Stadttheater um 1890.
Katharina Klafsky, gesch. Liebermann, verw. Greve, verh. Lohse
Opernsängerin
19.9.1855 St. Johann/Ungarn - 22.9.1896 Hamburg
Geboren als Tochter eines Flickschusters, fiel sie schon als Kind durch ihre besondere stimmliche Begabung auf und sang ab dem achten Lebensjahr im Kirchenchor. Eine Gesangsausbildung konnten ihre Eltern nicht bezahlen. Nach dem Tod ihrer Mutter 1870 zog Katharina Klafsky nach Wien. Ihr Wunsch war es zu singen. Da sie weder Geld hatte noch einflussreiche Menschen kannte, arbeitete sie zunächst als Kindermädchen. Ihr Dienstherr, dem ihre Begabung aufgefallen war, schickte sie 1873 zu einem Organisten, der sie nach kurzer Ausbildung an den Direktor der "Komischen Oper" in Wien empfahl, wo sie eine Anstellung als Choristin bekam. Später erfuhr sie eine Gesangsausbildung bei Mathilde Marchesi, der später bedeutendsten Gesangspädagogin des 19. Jhds.
Die Ausbildungskosten wurden durch Spenden "hoher Persönlichkeiten" getragen. Zwei Jahre später brach Katharina Klafsky die Ausbildung ab. Freunde hatten ihr eingeredet, sie habe einen solchen "Schulzwang" nicht nötig. Doch schnell bereute sie diesen Schritt, denn sie fand kein Engagement als Solistin und musste weiterhin als Choristin arbeiten. Am Salzburger Stadttheater hatte sie erste kleine Erfolge. Doch wieder brach sie ab. Sie heiratete den Kaufmann Liebermann, zog mit ihm nach Leipzig, wo sie zwei Söhne gebar. Nach einiger Zeit trennte sich das Ehepaar, Katharina Klafsky nahm ein Engagement am Leipziger Stadttheater an. Dort sang sie im Chor und übernahm kleinere Rollen. Wieder stellten sich kleine Erfolge ein, so dass sie schließlich größere Aufgaben bekam. Im Oktober 1879 sang sie ihre erste große Wagner-Partie, die Venus in "Tannhäuser". Als ihr Chef, Operndirektor Angelo Neumann, im Sommer 1882 ein Tournee-Ensemble gründete, um Wagners "Ring der Nibelungen" in ganz Europa aufzuführen, nahm er auch Katharina Klafsky mit. Sie sang vornehmlich kleinere Rollen. Während einer Tournee durch Italien im Mai 1883 erkrankte sie an einer schweren Venenentzündung und an Malaria. Nach viermonatigem Krankenhausaufenthalt begann sie, obwohl noch schonungsbedürftig, aus finanziellen Gründen wieder zu arbeiten. Für die Spielzeit 1883/84 nahm sie ein Engagement bei Angelo Neumann an, der inzwischen Direktor am Bremer Stadttheater geworden war. Vorher war sie nach Leipzig gereist, um ihre Kinder abzuholen, die dort in Pflege waren. Auch in Bremen war sie nur für mittlere Rollen vorgesehen. Doch durch den Tod der Primadonna Hedwig Reicher-Kindermann und durch Misserfolge anderer Kolleginnen erhielt sie die Chance, große Partien zu singen. Ihre Leonore in Beethovens "Fidelio" wurde ein Riesenerfolg - der Durchbruch war geschafft. 1886 nahm Katharina Klafsky ein festes Engagement am Hamburger Stadttheater an und blieb hier mit Unterbrechungen bis zu ihrem Tod. 1887 heiratete sie ihren Kollegen, den Bariton Franz Greve, und bekam eine Tochter. Katharina Klafsky hatte nun große nationale und internationale Erfolge. Nach dem Tod ihres Mannes 1892, heiratete sie drei Jahre später den Kapellmeister am Hamburger Stadttheater, Otto Lohse. Im selben Jahr brach sie ihren Vertrag mit dem Stadttheater und verließ Hamburg für eine ausgedehnte Tournee durch die USA, wo sie in über 20 Städten erfolgreich auftrat. Nach ihrer Rückkehr vereinbarte sie mit dem Stadttheater, einen Teil der Saison in Hamburg, den anderen in den USA zu verbringen. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Am Abend des 11. Septembers 1896, als sie die Leonore im "Fidelio" gesungen hatte, bekam sie heftige Beschwerden: eine Gehirngeschwulst. Sie starb an den Folgen der Operation.
Elena Luksch Makowsky (geb. Makowsky)
Die Malerin und Bildhauerin Elena Luksch-Makowsky vor ihrem Gemälde "Adolescentia"

(Mädchen-)Brunnen von Elena Luksch-Makowski in der Stadtteilschule Winterhude (frühere Volksschule Wiesendamm)
© Hans-Jürgen Schirmer
Russische Malerin und Bildhauerin
14.11.1878 St. Petersburg - 15.8.1967 Hamburg
Elena wuchs zusammen mit ihren beiden Brüdern in glanzvollen aristokratischen Verhältnissen auf. Ihr Vater, Konstantin Makowsky war ein angesehener Maler, der darauf bestand, dass seine Kinder eine malerische Ausbildung bekamen. Im Herbst 1896 wurde Elena in der Kaiserlichen Akademie der Künste, St. Petersburg, dort in der Meisterklasse des kritischen Realisten Ilja Repin aufgenommen. Ihr zweiter Lehrer war der Bildhauer Wladimir Beklemischow. Zuerst arbeitete sie mit Ilja Konjenkow an einem großen Relief, das die Schrecken des Krieges darstellt, eine Auftragsarbeit von Johann v. Bloch. Als er ihr ein Stipendium anbot, griff sie zu und ging 1898 nach München, erhielt u. a. Malunterricht im Atelier von Anton Azbè.
In selben Jahr lernte sie den Wiener Bildhauer Richard Luksch (er schuf das im Garten der Frauen stehende Grabmal für Franziska Jahns. Luksch ist auf dem Ohlsdorfer Friedhof bei seiner zweiten Frau Ursula Falke bestattet) kennen. 1900 heiratete das Paar und ging nach Wien. Dort arbeitete Elena Luksch Makowsky ab 1901 als erste Frau mit Künstlern der Wiener Secession zusammen. Seit der Gründung der Wiener Werkstätten intensivierten beide ihre kunstgewerbliche Tätigkeit. Als Richard Luksch 1906 den Auftrag, Reliefs für die Fassade des Wiener Bürger-Theaters zu machen, aus Zeitgründen nicht ausführen konnte, gab er ihn an seine Frau weiter: In nur drei Monaten schuf sie eines ihrer Hauptwerke: drei große Melpomene-Reliefs, die sich heute im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe befinden.
1907 zog das Ehepaar mit seinen damals zwei Söhnen nach Hamburg, weil Richard Luksch eine Professur an der Hamburger Kunstgewerbeschule bekommen hatte.
Elena Luksch Makowsky beschäftigte sich weiter mit dem volkstümlichen Leben ihrer Heimat. Es entstanden mehrere Reihen Volks-Bilderbogen. Als sie 1910 von Fritz Schumacher den Auftrag erhielt, ein Werk für den Hamburger Stadtpark zu gestalten, arbeitete sie eine Fayenceplastik, die sie "Ein Frauenschicksal" nannte: eine sitzende Frau, die den Kopf der künstlerischen Inspiration in Gestalt eines Kuckucks zuwendet, der auf ihrer Schulter sitzt, während drei Kinder - 1911 war Elenas dritter Sohn geboren - vorsichtig aus dem Schutz der herabfließenden Gewänder der Mutter herausblicken. Die Arm- und Handbewegungen der Frau gehen vom Kuckuck aus und zu ihm zurück und trennen schroff die beiden Welten voneinander. Fritz Schumacher beschrieb sehr einfühlsam: "Durch diese Kinder ist die Frau fest am Boden gebunden, sie kann nicht schreiten, wohin sie will, sie kann sich nicht bewegen, wie sie mag, (…). Ihr Haupt aber kann sich frei bewegen. Oben im Geistigen ahnen wir noch eine zweite Welt. Sie lauscht dem Vogel mit einer Gebärde voll entsagungsvoller Sehnsucht."
Mit der Plastik "Frauenschicksal", das 1926 im Stadtpark aufgestellt wurde, endete 1912 ihre künstlerisch produktivste Zeit. "War es das Frauenschicksal, war es die fehlende Inspiration durch den Wiener Künstlerkreis, war es die zunehmende Entfernung von der russischen Heimat, die dazu führten, dass die künstlerische Spannkraft nachließ?" fragte Helmut Leppien in einem von ihm verfassten Beitrag über die Künstlerin. Es scheinen alle von Leppin genannten Motive Bestandteile dessen zu sein, was Elena Luksch Majowski "Frauenschicksal" nannte, und was sich auch heute noch oftmals als Frauenschicksal entpuppt. Noch immer ist es zumeist die Frau, die ihren Ort verlässt, sich den beruflichen Gegebenheiten des Mannes anpasst und für die Familie verantwortlich ist. Schon den Umzug nach Wien schloss Elena in ihr "Schicksal" ein. In Hamburg verschärften sich die Bedingungen nur noch. Die Familie war größer geworden - und erforderte mehr Zeit und Kraft. Die Kaufmannsstadt Hamburg und der Kreis um Richard und Ida Dehmel, dem das Paar angehörte, konnten ihr weder die Heimat und ihre Menschen noch die künstlerischen Anregungen ersetzen. Zudem wandte sich Richard Luksch einer anderen Frau zu. 1921 trennte sich das Ehepaar. Und auch die wirtschaftliche Lage während, zwischen und nach den beiden Weltkriegen war für Kunstschaffende sehr schwer. Weitere Werke von Elena Luksch Makowsky waren z. B. 1926 der Entwurf für die Senatsplakette "Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes" und die Gestaltung zweier Brunnen für die Meerweinschule (1930). Die Künstlerin gab privaten Kunstunterricht, übernahm private Portraitaufträge, fertigte Portraitbüsten, und beteiligte sich bis 1965 an verschiedenen Ausstellungen.
Das Motiv auf ihrem Grabstein ist Elena Luksch Makowskys dreiteiliger Lithographie-Serie zum Thema: "Der Krieg" entnommen.
Wilhelmine Marstrand (Antonia Josefina)
Pianistin und Pädagogin
7.8.1843 Donaueschingen - 16.8.1903 Spiez am Thuner See
Mit 16 Jahren begann Wilhelmine Marstrand ihr Studium am Stuttgarter Konservatorium. Sie gab erfolgreich Konzerte in verschiedenen Städten. 1868 zog sie nach Hamburg. Dort führte sie sich mit Johann Nepomuk Hummels a-moll-Konzert in der Philharmonie ein. Sie begann zu unterrichten und wurde Mitglied des Kollegiums am Hamburger Konservatorium. "Wilhelmine Marstrand war ein echter Charakter von merkwürdiger Festigkeit. Manches wäre nicht zustande gekommen, wenn sie sich nicht energisch und selbstlos dafür gemüht hätte. Mit nie ermüdender Fürsorge und mit heiligem Eifer arbeitete sie daran, die Fähigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler zu entwickeln und sie immer mehr einzuführen in die Herrlichkeit der von ihr über alles geliebten Kunst."
Helga Pilarczyk
Photo: privat
Opernsängerin
12.3.1925 Schöningen - 15.9.2011 Hamburg
Ursprünglich wollte Helga Pilarczyk Pianistin werden und nahm Klavierunterricht am Konservatorium Braunschweig. Sie setzte ihre Klavierstudien an der Hamburger Hochschule für Musik fort, gleichzeitig studierte sie Gesang in Braunschweig und Hamburg und ließ sich in rhythmischem Tanz ausbilden.
1951 gab sie ihr Debüt als Opernsängerin am Staatstheater in Braunschweig. und war dort bis 1954 festes Ensemblemitglied. Mit der Spielzeit 1954/1955 wechselte sie als Dramatischer Sopran zur Hamburgischen Staatsoper. Dort war sie bis einschließlich der Spielzeit 1966/1967 fest engagiert.
Helga Pilarczyk sang in Hamburg fast alle wichtigen Fachpartien und entwickelte sich zur führenden Interpretin Moderner Musik, insbesondere der Zwölftonmusik des 20. Jahrhunderts.
Ihre Glanzrollen, mit denen sie auch international erfolgreich gastierte, waren vor allen anderen die Marie in Wozzeck und die Titelrolle in Lulu von Alban Berg. Außerdem gehörten das Monodrama Erwartung und der Gedichtzyklus Pierrot Lunaire von Arnold Schönberg zu ihren wichtigsten Gesangsstücken.
Helga Pilarczyk hatte Gastverträge am Opernhaus Zürich (1955-1958), an der Deutschen Oper Berlin (1956-1960) und ab 1964 auch an der Deutschen Oper am Rhein. Sie trat an der Covent Garden Opera in London, beim Holland Festival, beim Maggio Musicale in Florenz, beim Glyndebourne Festival, an der Washington Opera, an der Mailänder Scala, bei der Musik-Biennale in Zagreb, bei den Wiener Festwochen, an der Lyric Opera in Chicago und an der Metropolitan Opera in New York auf.
1967 zog sie sich aus familiären Gründen weitgehend von der Opernbühne zurück, um sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Fortan trat sie nur noch selten auf, so 1969 an der Kölner Oper, 1982 am Theater in Bremen und am Théatre du Chatelet in Paris. 1988 war sie in Hamburg und London in Arnold Schönbergs Oratorium Die Jakobsleiter zu hören. Ab 1975 nahm Helga Pilarczyk Lehraufträge wahr und unterrichtete kontinuierlich.
Für ihre musikalischen Verdienste wurde Helga Pilarczyk in Hamburg zur Kammersängerin ernannt.

Celly de Rheidt (rechts)
Photo von Karl Franck.
Quelle: Deutsches Tanzarchiv Köln

Quelle: Deutsches Tanzarchiv Köln
Celly de Rheidt, geb. Funk, verh. Seweloh
Eine der Pionierinnen des Nackttanzes in der Neuzeit
25.3.1889 Altona - 8.4.1969 Hamburg
Als Anna Cäcilie Marie Funk wurde sie als Tochter der adligen Mette Maria von der Reith und des Schiffskapitäns Jürgen Diedrich Funk in Altona geboren. Unter ihrem Künstlerinnamen Celly de Rheidt wurde sie nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er bekannt.
Celly de Rheidt gilt als eine der ersten Nackttänzerinnen der Neuzeit. 1914 - im Todesjahr ihrer Mutter, ihr Vater war bereits durch Suizid gestorben, als Celly 15 Jahre alt war - heiratete sie den zwei Jahre älteren Kaufmann und Leutnant Alfred Seweloh. Er soll auch als Heiratsvermittler aufgetreten sein und sein Institut beworben haben mit dem Slogan: "3000 schöne Frauen suchen einen Partner". Diese Geschäftsidee brachte ihm die Verurteilung zu zwei Jahren Gefängnis wegen Kuppelei und zu fünf Jahren Ehrverlust ein. 1)
Als nach dem Ersten Weltkrieg große Teile des Bürgertums nicht mehr über genügend finanzielle Mittel verfügten, um ein "standesgemäßes" Leben führen zu können, erkannte der ehemalige Leutnant Seweloh, womit Geld zu verdienen war: mit jungen schönen Frauen, die nackt tanzten. Damit war die Celly de Rheidt Tanzgruppe "geboren".
Cellys Ehemann begründete 1919 die Nackttanzdarbietungen wie folgt: "unsere notleidenden Menschen, zerbrochen (….) durch den schrecklichsten aller Kriege, sind in einen düsteren Alltag hinabgesunken. Wir hoffen Schönheit in seiner reinsten und orginalen Form zu bringen, (…)." 4)
Laura Nickel analysiert: "In der zermürbten Gesellschaft der Nachkriegszeit mutierte der Nackttanz in den Varietés zu einem Ventil für die"‚[psychische] Depression nach dem verlorenen Krieg". Franz-Peter Kothes beurteilt diese Veränderung wie folgt: "Die Ventilfunktion des Tanzes, der Mode, der Libertinage beeinflusste das von der Zensur befreite Theater und besonders die Ausstattungsrevue. Dies hilft die epidemische Verbreitung zu erklären, die die Nudität zu Anfang der Zwanziger in der Revue fand."" 5)
Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts war es zu ersten Nackttanz-Darstellungen gekommen. Auf "Schönheitsabenden", meist vor geschlossener Gesellschaft, präsentierten sich Frauen entweder in Ganzkörpertrikots, die Nacktheit vortäuschen sollte, aber auch nackt mit z. B. Schleiertänzen, einem ausgewähltem, meist männlichen zahlendem Publikum. 2)
Auch Celly de Rheidt trat zuerst bei "Schönheitsabenden" auf, die zu Anfang "privat in der Wohnung des Verlegers Wilhelm Borngräber statt[fanden]. Unter das Publikum mischten sich weibliche Prostituierte, die sich den von der Nacktheit erregten männlichen Zuschauer im Anschluss an die Vorstellungen anboten.
"[...] später jedoch konnten die Privatveranstaltungen nicht mehr mit den Reizen der Prostitution mithalten: Dort [in einem Bordell] konnte der Kunde "mehr" zu einem besseren Preis bekommen."" 3)
Celly de Rheidts Tanzgruppe bestand aus rund fünf 14 bis 20jährigen jungen Frauen, die nur von Schleiern verhüllt, z. B. griechische Friese nachstellten und wurde von Celly de Rheidt selbst geleitet. Skrupel wegen der Minderjährigkeit einiger Tänzerinnen hatte man nicht. Den Conferencier bei diesen Darbietungen, die in Revuetheatern vorgeführt wurden, machte Cellys Ehemann Alfred Seweloh.
1920 konnte Celly de Rheidt für eine Saison über eine eigene Bühne in der Berliner Motzstraße verfügen. Ein Jahr später trat Celly de Rheidts Tanzgruppe im legendären Nelson-Theater am Kurfürstendamm 217 auf. "Das Grundkonzept", so Michael Brettin in seinem Artikel "Die nackte Wahrheit über Berlin. "Babylon Berlin" wie es wirklich war", "ist an allen drei großen Revuetheatern gleich: eingängige Tanz- und Gesangsnummern, ein paar Sketche und ein paar Stars, viel Exotik und Erotik. Dass es ein großes Publikum für Erotik auf der Bühne gibt, weiß die Branche seit den überraschend erfolgreichen Auftritten des Celly-de-Rheidt-Balletts im Nelson-Theater 1921. Rudolf Nelson, der an seinem Haus an der Ecke Kurfürstendamm/Fasanenstraße nur anspruchsvolles Kabarett macht, hatte sich [von Celly de Rheidts Ehemann] überreden lassen, in der spielfreien Sommerzeit die Bühne der ersten Nackttanztruppe der Republik zu überlassen." 6)
Die Tänzerinnen verfügten über keine professionelle Tanzausbildung. Meist boten sie kurze Pantomimen, die z. B. "Der Vampir", "Salome" oder "Opiumrausch" hießen. Für diese Darbietungen gab es ein zahlungskräftiges, meist männliches Publikum. Deshalb konnten auch hohe Eintrittspreise genommen werden. "Das männliche Publikum wollte einiges mehr zu sehen bekommen, als im täglichen bürgerlichen Umfeld erlaubt war. (…)." 7)
Bettina Müller schreibt in ihrem Artikel "Die Anziehung der Ausgezogenen", veröffentlicht in der taz vom 9.3.2019: "Die Meinungen über die Nackttänzerin divergieren, entweder liebt man oder man verachtet sie. Einige wollen dennoch einen künstlerischen Anspruch ihrer Tänze erkennen, wie etwa Hanna Berger (selbst Tänzerin) in einem Zeitschriftenartikel schrieb: "Der Körper, der im wahrsten Sinne des Wortes entfesselt wird, bewegt sich ungehemmt in große räumlicher Entbundenheit." Das ist moderne Tanzkunst mit Tendenz zum Expressionismus, der von Künstlern wie zum Beispiel Josef Fenneker auch für die Werbeplakate der Tanzveranstaltungen in Varietés und Kabaretts aufgegriffen wird.
Diese Form des für viele allzu freien Tanzes trifft jedoch oft auf Unverständnis. Manche Kritiker werden daher schnell beleidigend. Celly de Rheidt habe "zu viel Speck auf den Rippen", sei nicht besonders schön und eigentlich auch zu alt, somit dürfe sie auch nicht tanzen, so wie sie eben tanzt, urteilt Stefan Großmann im Tage-Buch gnadenlos. Und auch Herwarth Walden resümiert in seinem Buch "Der Sturm" kurz und knapp: "Jedenfalls kann sie nicht tanzen." Ganz Gemeine verwenden gelegentlich das Wort "Hopserei".
Das Publikum entscheidet jedoch Abend für Abend, ob es für die "hopsende" Hüllenlose zum Geldbeutel greifen will oder eben nicht. "Frau Celly tanzt, laßt sie doch ruhig tanzen, wo alle Welt sich heut im Tanze wiegt", dichtet 1921 ein verständnisvoller Josef Wiener-Braunsberg in der ULK, der satirischen Beilage des Berliner Tageblatts, über die umstrittene Künstlerin." 8)
Doch "trotz der neuen Gesetzeslage, in der Nacktheit nicht per se als obszön galt, sondern unter bestimmten künstlerisch motivierten Umständen gestattet war, konnten Künstlerinnen und Künstler für ihre Auftritte wegen Anstößigkeit oder Blasphemie vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Rheidt und Seveloh, die ihre Tanztruppe nicht aus künstlerischen Überlegungen gründeten, bemühten sich zwar um Legitimierungsstrategien, blieben aber von regelmäßigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, Zensurauflagen und hohen Strafzahlungen nicht verschont. Ein initiiertes Strafverfahren gegen Celly de Rheidt und ihren Mann Alfred Seveloh im Jahre 1922 mündete in einer Bußgeldauflage von 37.000 Mark. Dichter, Kabarettisten und Schriftsteller nahmen öffentliche Machtkämpfe [um Moral, Körperkultur und Geschlechterrollen] wie diesen zum Anlass für satirische Texte. Der Revuedichter Marcellus Schiffer beispielsweise schrieb eine Parodie auf die Skandale um das Celly de Rheidt Ballett, in der es im Refrain lautet: "Komm Se rein, komm Se rein, komm Se rein, komm Se rein in die gute Stube! Wir wollen alle gerne nackend sein, ob Mann, ob Weib, ob Mannweib oder Bube! Und schimpft auch die Frau Staatsanwalt, `ne Ziege mies und alt, auf unsre Celly de Rheidt! Nur Neid! Nur Neid! Nur Neid!"" 9)
Nach dem Strafverfahren durfte Celly de Rheidts Tanzgruppe nur von der Polizei kontrolliert weiter tanzen. Die Brüste und Hüften hatten bedeckt zu sein; wenn nicht, dann würde die Truppe aus Berlin verwiesen werden. Diese polizeilichen Auflagen führten zu einem Besucherrückgang.
Auch die Postkarten, auf denen nackte Tänzerinnen aus Celly de Rheidts Ballett abgebildet waren, galten in Augen der polizeilichen Obrigkeit als obszön, da sie keine künstlerische Nacktheit für ein bürgerlich wohlerzogenes Publikum präsentierten, sondern vermeintlich derbe Nacktheit, wie sie angeblich ungebildete Zuschauer der Unterschichten schätzten.
"Die Tänze einer Celly de Rheidt oder Anita Berber schwankten im Urteil ständig zwischen "unsittlicher" Varieté-Nummer und künstlerischer Sensation. (…) Anita Berber, Isadora Duncan, Celly de Rheidt und andere Avantgarde-Tänzerinnen leisteten zu ihren jeweiligen Lebzeiten große Pionierarbeit in der Loslösung des Tanzes von der "schematischen Körperlichkeit und dem Bewegungskanon romantischer Balletttradition" und verhalfen somit der (Tanz-) Kunst zu einer Rückführung in die Lebenspraxis." 11)
1922 trennte sich Celly de Rheidt von ihrem Ehemann. Das Ehepaar stritt sich um den Namen der Tanzgruppe, die sich aber auch trennte.
Später trat Celly de Rheidt u. a. in Leipzig mit einem lesbischen Vampirtanz auf. 1924 heiratete sie Moritz Rosner, Direktor des Ronacher-Theaters in Wien. 1925 trat sie auch in der Scala am Hamburger Schulterblatt auf unter der Ankündigung "Celly de Rheidt in ihren naturalistischen Tanzschöpfungen". Wenig später endete ihre Karriere.
Frauen waren zwar Pionierinnen in diesen Grenz auflösenden Theaterformen, aber sie gehörten nicht zu den Profiteurinnen. Denn die Besitzer der Theater oder Regisseure der Shows in den folgenden Jahren waren in der Regel Männer. Zu ihnen zählte z. B. Erik Charell, der auch mit Celly de Rheidt gemeinsam aufgetreten war, so z. B. 1920 in einer Tanzrevue im Ufa Palast am Zoo in Berlin.
Text: Rita Bake unter Mitarbeit von Birgit Kiupel
Quellen:
1) Vgl. Bettina Müller: Die Anziehung der Ausgezogenen", veröffentlicht in der taz vom 9.3.2019. Unter: (http://www.taz.de/!5577490/)
2) zit. nach: Peter Jelavich: Berlin Cabaret. Cambridge, Massachussets 1996, S. 156.
3) Laura Nickel: BA Kunstgeschichte und Medienkulturwissenschaft 4. Fachsemester: Entblößter Körper - Entblößtes Selbst. Die Anfänge des Nackttanzes um 1900 und die Entwicklung bis zu den Auftritten Anita Berbers auf den Bühnen der Weimarer Republik. Köln 2014, S. 8. Und: Franz-Peter Kothes: Die theatralische Revue in Berlin und Wien 1900-1938. Wilhelmshaven 1977, S.69f. zit. nach. Fischer, Lothar: Anita Berber. Göttin der Nacht. Berlin 2007, S.50. Zit. nach Nickel, a. a. O., S. 8.
(Universität zu Köln. Institut für Medienkultur und Theater. Basismodul 4: Formate, Genres, Gattungen Übung: Ausdruckstanz - Die Tanzkultur der 1920er Jahre Frau Dr. Hedwig Müller SS 2014)
4) ebenda.
5) Peter Jelavich: Berlin Cabaret. Cambridge, Massachussets 1996, S. 156., zit. nach Lara Nickel, a. a. O., S. 8f.
6) Michael Brettin: Die nackte Wahrheit über Berlin. "Babylon Berlin" wie es wirklich war: Eine Zeitreise in das Amüsemang der Zwanziger. In Berliner Zeitung unter: https://story.berliner-zeitung.de/der-nackte-wahnsinn/
7) Claudia Balk: Vom Sinnenrausch zur Tanzmoderne, in: Brygida Ochaim, Claudia Balk; Varieté-Tänzerinnen um 1900. Vom Sinnenrausch zur Tanzmoderne. Frankfurt a. M. 1998, S. 22.
8) Bettina Müller, a. a. O.
9) Laura Nickel, a. a. O., S. 9. Und hier auch: Bendow/Schiffer: Der kleine Bendow ist vom Himmel gefallen. Berlin 1923, S. 36f. zit. nach Fischer: Anita Berber. Göttin der Nacht, S.46., zit. nach: Laura Nickel, a. a. O.,. S.9
10) Lara Nickel, a. a. O., S. 14.
Lola Rogge
Photo: Lola-Rogge-Schule

Tanzpädagogin, Choreographin, Tänzerin
20.3.1908 Altona - 13.1.1990 Hamburg
1927 gründete sie die nach ihr benannte Lola Rogge Schule, deren Leitung sie 1977 ihrer Tochter Christiane Meyer-Rogge-Turner übergab. Lola Rogge führte die Hamburger Labanschule, die ihr Lehrer Rudolf von Laban, einer der Protagonisten des modernen Ausdruckstanzes, gegründet hatte, weiter. Neben der ihr wichtigen pädagogischen Arbeit, die die Basis für den heutigen Beruf der Lehrerin/Lehrers für Tanz und Tänzerische Gymnastik schuf, wirkte Lola Rogge als Tanzregisseurin am Deutschen Schauspielhaus. Unter ihren selbstständigen choreographischen Arbeiten schätzte sie das 1950 uraufgeführte Tanz-Requiem "Vita Nostra" am meisten. Zur Musik der zeitgenössischen Komponistin Aleida Montijn verwirklichte sie ihr Gelöbnis im letzten Kriegsjahr, ein Mahnmal gegen Krieg und Terror zu choreograhieren, sollte sie mit ihrer Familie den Krieg überleben.
Emmy Ruben (geb. Geister)
Mäzenin
7.2.1875 Hamburg - 4.6.1955 Hamburg
In der Zeit des Nationalsozialismus galten Bilder vieler Künstlerinnen und Künstler als entartet und wurden aus den Museen entfernt. Die Mäzenin Emmy Ruben ließ sich davon nicht beeindrucken. Mit dem Ankauf von Bildern half sie nicht nur finanziell, sondern stärkte damit auch das Selbstbewußtsein der Künstlerinnen und Künstler.
Ihr Mann, der Kaufmann Albert Ruben, mit dem sie drei Kinder bekam, hatte sie an das Mäzenatentum herangeführt, was sie nach seinem Tod im Jahre 1926 fortsetzte.
1948 schenkte Emmy Ruben, die u. a. Mitglied der "Frauenliga für Frieden und Freiheit" und der "GEDOK" (Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen) war, ihre Kunstsammlung von 146 Exponaten der Hamburger Kunsthalle.
Seit Juni 2016 gibt es den Emmi-Ruben-Weg im Bezirk Harburg, Stadtteil Hausbruch.
Amelie Ruths
aus: Henny Wiepking: Uhlenhorst in vier Jahrhunderten Hamburg o. J., S. 96
Malerin der Vierlande und der Halligen
28.4.1871 Hamburg - 3.4.1956 Hamburg
Amelie Ruths entstammte einer bürgerlichen Familie und besuchte die Höhere Töchterschule von Helene Bonfort und Anna Meinertz. Als sie 24 Jahre alt war, starb ihr Vater und sein Bruder, der bekannte Landschaftsmaler Valentin Ruths zog zur Familie in die heutige Heinrich-Hertz-Straße. Seit etwa ihrem vierzehnten Lebensjahr hatte Amelie Ruths bei ihm Zeichen- und Malunterricht erhalten. Nun drängte er sie, das Zeichenlehrerinnenexamen zu machen, damit sie ihre Existenz sichere. Nach dem dreijährigen Besuch der Gewerbeschule für Mädchen mit dem Abschluss als Zeichenlehrerin arbeitete sie ab 1890 an verschiedenen Schulen. Als Valentin Ruths um 1900 erkrankte, pflegte sie ihn bis zu seinem Tod im Jahre 1905. Im selben Jahr beschickte sie zum ersten Mal eine Ausstellung.
Der Erfolg motivierte sie und mit Hilfe der kleinen Erbschaft von ihrem Onkel erlernte sie bei dem Belgier Henri Luyten Freilichtmalerei und studierte in Paris den Impressionismus. Doch ihre Liebe galt der Nordseeküste, den Vierlanden und besonders den Halligen, die sie 1920 zuerst besuchte. In der Malerei ging es ihr um Licht und Farbe. Selbst als sie so schwer erkrankte, dass sie 1929 vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde, hielt sie an der Halligmalerei fest. Privat lebte sie mit ihren fünf Jahre jüngeren Geschwistern Frieda und Rudolph zusammen, die beide als Lehrer/in tätig waren. 1937 zogen sie in die Erikastraße 174. 1944 starb der Bruder. Als Amelie Ruths 1956 ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, erlitt ihre Schwester einen Herzschlag. Amelie Ruths, der man davon nichts erzählte, starb einen Monat später. Bilder von Amelie Ruths befinden sich z. B. in der Kunsthalle und im hamburgmuseum. Jedes Bild war für sie ein Stück erlebte Natur, das mittlerweile nicht mehr existierte.
Elisabeth Schucht, geb. Krause
Schriftstellerin, Sozialfürsorgerin in Männergefängnissen
3.7.1888 Kiel - 8.10.1954 Hamburg
Elisabeth Schucht war eine Romanautorin und Erzählerin. Im Munzinger Archiv heißt es über sie: "Nach dem Besuch des Lyceums bildete sie sich zunächst in Weimar zur Bildhauerin aus. Später arbeitete sie als Sozialfürsorgerin hauptsächlich in Männergefängnissen. Nach ihrer Verheiratung mit dem späteren Geheimrat Schucht im preussischen Verwaltungsdienst wandte sie sich schriftstellerischer Arbeit zu.
Von ihren Werken seien erwähnt die Romane ‚Die von uns geboren' (1920) ‚Eros' Irrfahrt' (1921), ‚Die Gezeichneten' (1930), ein Niederschlag ihrer Tätigkeit im Gefängnis, auch ins Tschechische übersetzt, weiter ‚Jo liebt einen alten Mann' (1934), auch in holländischer und englischer Sprache erschienen, ‚Unica' (1936) und ‚Der Weg in eine andere Welt' (1938).
Trotz körperlicher Behinderung - Elisabeth Schucht verlor anlässlich eines Verkehrsunfalles bei der Rettung eines ihrer Kinder selbst ein Bein - gelang es ihr aus eigener Kraft, große Reisen zu unternehmen, die sie fast durch die ganze Welt führten. So bereiste sie im Jahre 1935 die USA, Mexiko und Hawaii, in den Jahren 1938 und 1939." [1]
Zu ihren Werken zählen auch: "Eine Frau fliegt nach Fernost", "Unter der silbernen Sichel: Eine Reise durch Pakistan", "Anette im Zwielicht".
Bevor sie in Hamburg lebte, hatte sie von 1932 bis 1945 in Dresden gewohnt, wo sie mehrere Jahre dem Vorstand der Goethe-Gesellschaft angehörte. In der NS-Zeit gehörte sie keiner NS-Organisation an.

Quellen
1 Vita, siehe: Munzinger Archiv www.munzinger.de
Anna Marie Simon
Photo: privat
Schriftstellerin, Pseudonym: Mania Korff
25.6.1864 Walsrode - 14.4.1931 Hamburg
Anna Simon war die Mutter von Leonore Toepke und Ellen Simon. Geboren als Tochter des Textilkaufmanns Julius Seckel und seiner Ehefrau Helene geb. Seckelsohn erkrankte Anna im Alter von sieben Jahren schwer und musste jahrelang das Bett hüten. Unregelmäßig erhielt sie Privatunterricht. Ihre Liebe galt der Literatur. Nach ihrer Genesung wollte sie Medizin studieren, doch ihre Eltern empfanden diesen Beruf als zu anstrengend für ihre Tochter. In dieser Zeit lernte sie Georg Simon kennen. 1889 heiratete das Paar. Es unternahm viele Reisen. Auf einer dieser Reisen nach Schweden lernte Anna Simon einige Schriftsteller kennen. Durch diese angeregt begann auch sie eine schriftstellerische Laufbahn. 1897 erschien in
einem Erfurter Verlag ihr erster Roman. Die Themen ihrer Romane behandelten Liebe, Leid, Krankheit, Freude und Tod. Später beschäftigte sie sich literarisch auch mit sozialen Fragen, so mit dem Leben von Arbeiterfrauen. Anna Simon veröffentlichte unter dem Pseudonym Mania Korff. Sie hatte Erfolg. 1897 trat Anna Simon mit ihrem Mann und ihren drei Kindern zum Christentum über. Nach dem Tod ihres Mannes Ende 1903, der es bis zum Landgerichtsrat gebracht hatte, schrieb Anna Simon keine größeren Werke mehr. Zunehmende gesundheitliche Probleme waren wohl die Ursache. Nach dem Ersten Weltkrieg zog sie mit ihren beiden Töchtern (der Sohn war verstorben) nach Hamburg in den Uhlenhorsterweg 30, später dann an den Andreasbrunnen 8.
Recherchen Dr. Stephan Heinemann, Potsdam

Ausschnitt aus "Selbstportrait mit Otto Rodewald", Quelle: Charlotte Thiede 1917-1979. Aus ihrem künstlerischen Schaffen mit einer Einführung von Werner Timm und Nachrufen von Erich Lüth und Roger Thiede. Hower Verlag Hamburg 1980
Charlotte Thiede Eisler-Rodewald
Malerin
4.4.1917 - 4.5.1979 Hamburg
Charlotte Thiede Eisler-Rodewald verstarb im Alter von 62 Jahren an Anorexie, an einer Krankheit, die sie schon zu Lebzeiten zum langsamen Verschwinden von dieser Welt brachte. Dass sie in dieser realen Welt nicht leben konnte, zeigen ihre Zeichnungen und unterstreichen ihre Weggefährten. So schreibt ihr Neffe Roger Thiede in seinem Nachruf auf seine Tante: "Ihre Kunst war (…) anachronistisch. (…) das heißt soviel wie aus der Zeit gefallen. (…) das heißt, gar nicht voll in einer Zeit aufzugehen, sich den Glauben an etwas anderes, besseres zu bewahren. (…) fast gibt es kein Bild, keine Zeichnung, die nicht eine paradiesische Landschaft, die nicht jene anmutigen Mädchenfiguren abbilden, (…) die unserer Gegenwart, den Realitäten unserer Welt, der Industrie, dem Älterwerden krass entgegengesetzt ist. Damit ist Charlottes Künstlertum ungefähr beim Namen genannt: die fixierende Beschwörung einer Jugend, eines Mädchentums voller Schönheit und Geheimnis,
einer Entrückung, einer fast sakralen Unantastbarkeit, die allen Verwertungen europäischer Lebensläufe entgegensteht. (…) Charlotte hat dieses Bild von einer mädchen-haften Existenz nicht nur gemalt, sondern auch zu leben versucht. Wer sie in ihrem Atelier besuchte, konnte oft wirklich meinen, es mit einem ihrer Geschöpfe zu tun zu haben - dem Exotismus ihrer Person entsprach ihre Leidenschaft für das Uneuropäische, für China, Indien, für Afrika und die indianischen Kulturen. Umso schlimmer traf sie die Erkenntnis, dass eben jene Kulturen der Dritten Welt einem unaufhaltsamen (…) Zerstörungsprozess ausgeliefert sind. Denn mit den Völkern sah sie sich selbst bedroht - eine letzte Zuflucht vor der Profanität unserer Gesellschaft wurde mit jedem Tag irrealer, wurde mit jeder Nachricht drastischer zerstört, die man im Fernsehen hören konnte. (…) Das übermächtige Bild einer mädchenhaften Idylle konnte der Wirklichkeit auf die Dauer doch nicht standhalten. (…) Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß Charlotte Eisler-Rodewald an solchen Konflikten gestorben ist." 1) Und auch der Publizist Erich Lüth schlug ähnliche Töne an in seinem Nachruf auf Charlotte Thiede Eisler-Rodewald: "Könnte sie noch zu uns sprechen, die wir uns ihr so ganz nahe fühlen, so würde sie, die in ihrer Selbstkritik so unbeirrbar gewesen ist, entgegen den Konventionen sagen: Dieses doch so oft grausame und unbarmherzige Leben - mein Leben - war nicht erfüllt, denn meine künstlerischen Träume sind nur zu einem viel zu kleinen Anteil gereift. Ich habe sie nicht erfüllt und ich konnte sie, so viel ich auch geschaffen habe, nicht erfüllen - denn sie wollte in ihrer fast beispiel-losen Intensität mehr. Als sie noch jung war, gertenschlank, ja geradezu zerbrechlich, strahlte sie Hoffnung aus, durch die sie uns, ihre Gefährten und ihre Freunde, mitriss. Aber sie hat immer in zwei Welten gelebt, die offenbar nicht zu vereinigen waren. Das war die Welt des Aussatzes und der Barbarei, gegen die sie und Otto Rodewald sich immer wieder radikal bis an die Grenze der Selbstvernichtung, empört haben. Deshalb widmete sie sich noch bis zuletzt der Gesellschaft für bedrohte Völker. Das andere aber war die Welt ihrer schöpferischen Visionen, in denen sich alle Banalitäten des Alltags dichterisch in eine Zauberwelt verwandelten." 2)
Mit 15 Jahren war Charlotte Thiede 1932 zu ihrem Lehrer und späteren Ehemann, den 25 Jahre älteren Maler und Grafiker Otto Rode-wald (1891-1960) gekommen. Geprägt durch die Schrecken des Ersten Weltkrieges und die dabei erlittenen Verwundungen zog sich Rodewald mit seinen Bildern ins Märchenhafte und Symbolistische zurück. Als Charlotte Thiede Rodewalds Schülerin wurde, "war Rodewald gerade von einem mehrjährigen Auf-enthalt im nordafrikanischen Sidi Boussaid (1929-1931) zurückgekehrt. Noch ganz erfüllt von jener so andersartigen Welt (…) hat Rodewald zweifellos seiner jungen Schülerin viel von dieser anderen, entrückten Welt erzählt, so wie sich auch seine Bewunderung für die ostasiatische Kunst und Geisteswelt auf seine Schülerin übertrug." 3) Denn hier trafen sich zwei verwandte Seelen: Charlotte Thiede war "aus der eigenen Gemütsstimmung heraus offenbar voll leidenschaftlicher Empfänglichkeit für die kritische Welterfahrung Rodewalds und seine Gedanken. Sie begriff, welch wesentlichen Wert, welchen Schutz die Flucht in eine imaginäre, dem Zugriff des Alltags entrückte Welt bot." 3) 1937 wurden Arbeiten von Rodewald als "entartete Kunst" von den Nazis beschlagnahmt. Ende der 1940er Jahre heirateten Rodewald und Charlotte Thiede. Für Rodewald war es die zweite Ehe. Auch nach Rodewalds Tod setzte sich Charlotte Eisler-Rodewald für das Werk ihres verstorbenen Mannes ein und erhielt darin Unterstützung durch ihren zweiten Ehemann, den Verleger George B. Eisler, ein Freund Rodewalds. Zum Gelderwerb illustrierte Charlotte Thiede Eisler-Rodewald in den 1950er Jahren Romanfort-setzungen im Hamburger Abendblatt, so z. B. die Fortsetzungsfolge "Percy ist zu jung für Dich! Aus den Briefen eines jungen Mädchens" von Marga Berck. Und sie illustrierte auch die vom Hamburger Abendblatt zwischen 1961und 1952 zur Adventszeit veröffentlichten "Märchen aus uralten Zeiten". Aber sie arbeitete zehn Jahre lang auch für die internationale Zeitschrift "scala international" und illustrierte z. B. Carl-Albert Langes Nachdichtung chinesischer Lyrik "Der Pavillon aus Porzellan". Über Charlotte Thiede Eisler-Rodewald als Person äußert ihr Neffe: "Sie war Künstlerin von Beruf, (…). Momente eines trotzigen Boheme-Lebens bestimmten ihr Bild, jene für den Normalbürger oft so verwirrende Mischung von Entsagung und Freude am Schönen - auch am ‚Luxus', der nicht den vermögenden Philistern vorbehalten sein sollte. Ihre Jugendlichkeit prägte ihr Leben und ihre Kunst." 1) Und Erich Lüth berichtet: "Dieser zarte Mensch, der von einem anderen Stern zu uns gekommen schien, hatte in seiner Feinfühligkeit, eine ungewöhnliche Kraft, im Hause an der Sierichstraße eine jeden ihrer Freunde oder Besucher entrück-ende Atmosphäre zu schaffen. Sie liebte die kleinen Dinge der Welt und des Lebens: Gläser, Mineralien, winzige Statuetten. Sie blieb aber auch als Surrealistin immer einer blüh-enden Wirklichkeit nahe." 2) Über ihr Schaffen in ihren letzten Lebensjahren resümierte Werner Timm: "Die Zeichenkunst der Charlotte Thiede erreicht am Ende ihres Lebens in einer Gruppe von Zeichnungen um 1977-78 einen letzten Höhepunkt. Hierbei handelt es sich überwiegend um reine, ideale Landschaften und Blumen Arrangements. Diese Landschaften sind menschenleer, einsam, von seltsamer Melancholie erfüllt. (…) mehrmals stößt man bei diesen Landschaften auf die Trauer-weide, die mit der schwermütigen Gebärde der herabhängenden Zweige geradezu wie ein Leitmotiv oder Leitsymbol der seelischen Stimmung dieser Zeichnungen wirkt. Eine unsagbare Trauer und Einsamkeit spricht aus diesen Werken. (…) Gelegentliche Notizen der Künstlerin auf einigen Zeichnungen lassen die tiefe Verzweiflung erkennen, die hinter der noblen Gebärde der Trauer steht, die ihre Landschaftszeichnungen erfüllt. ‚Warum sie mich hassen. Meine Blumen wollen sie nicht und die Tiere' heißt es 1978 und im Todesjahr 1979 voll Resignation und Wissen um den Tod der lakonische Vermerk ‚Die Zeit ist um'." 3)
Quellen:
1) Roger Thiede: Nachruf, in: Charlotte Thiede 1917-1979. Aus ihrem künstlerischen Schaffen mit einer Einführung von Werner Timm und Nachrufen von Erich Lüth und Roger Thiede. Hamburg 1980.
2) Erich Lüth: Nachruf, in: siehe unter 1)
3) Werner Timm: Zu den Zeichnungen von Charlotte Thiede, in: siehe unter 1)
Marie Thierfeldt
Photo: privat
Handweberin
20.2.1893 Frankenhof - 31.12.1984 Hamburg
Geboren wurde Marie Thierfeldt auf dem väterlichen Hof in Frankenhof, Kreis Gumbinnen, in Ostpreußen. Sie hatte zwei Brüder und eine äItere Schwester. Ihre Mutter war bereits verstorben, als im Ersten Weltkrieg das Elternhaus zerstört wurde. Den Auftrag für den Wiederaufbau des Hauses bekam der damals noch junge und unbekannte Architekt Hans Scharoun. Er, der später ein bedeutender Architekt wurde, war es, der Marie Thierfeldt, die eine Weblehre mit Gesellen- und Meisterprüfung an der höheren Textilschule in Berlin absolvierte, riet, nach Weimar zu gehen und dort am Bauhaus zu studieren. Marie Thierfeldt folgte dem Rat und studierte
zwischen 1924 und 1925 am Bauhaus in Weimar und 1926 am Bauhaus in Dessau.
"Gropius vermittelte mir das Gefühl für den Raum, Kandinsky die Fläche, Klee die Farbe", erzählte sie später.
"Meine künstlerische Arbeit bekam dann ihre Bestätigung in meiner Berufung zur außerordentlichen Lehrerin an der Königsberger Kunstakademie". Dort war sie von 1927 bis 1933 tätig. Dann betrieb sie eine eigene Webwerkstatt in Insterburg. 1941 ließen die nationalsozialistischen Behörden die Werkstatt schließen. Marie Thierfeldt wurde dienstverpflichtet. Silvester 1944 floh sie nach Schleswig-Holstein, wo sie als Jute-Weberin ihren Lebensunterhalt verdiente. Später übernahm sie in Ahrensburg eine kleine Weberei, bis sie 1950 in Hamburg am Mittelweg 145 Hinterhof eine Werkstatt errichten konnte. Dort standen drei große Webrahmen. Ein Webrahmen erlaubte sogar Spannbreiten bis zu drei Metern. Über ein Holztreppchen ging es zur Wohnwerkstatt. Auch hier standen Spinnräder und ein Webstuhl. Die Wohnung teilte sie sich mit ihrer älteren Schwester Lina Bartschat (26.7.1888 - 2.10.1970), die den Haushalt führte und auch die Angestellten - eine Weberin und zwei Lehrlinge - bekochte.
Marie Thierfeldt beschäftigte sich vor allem mit der Mischung und Abstufung der Materialfarben. Für einen Teppich in der St. Petri Kirche in Hamburg verwendete sie die Farbe Rot in 40 Varianten. Ihre Arbeiten waren und sind in vielen öffentlichen Gebäuden und Museen zu finden, so im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Sie stellte u. a. Wandteppiche für das Gemeindehaus Langenhorn, das Gemeindehaus Geesthacht, den Sitzungsraum der Großmarkthalle und für die Deutsche Botschaft in Stockholm her. Für die Hamburgische Staatsoper schuf sie den Wandteppich "Petruschka", der heute im Ballettzentrum hängt. Für den Wandteppich, den sie für das Gästehaus der Deutschen Bank herstellte, erhielt sie 1966 den Preis der Hamburger Kulturbehörde.

Photo: Privatsammlung Seckel
Leonore (Lola) Toepke geb. Simon
Bildhauerin
4.7.1891 Leopoldshall - 3.1.1945 im KZ Stutthoff
Lola Toepke war die Tochter der Schriftstellerin Anna Marie Simon. Lolas Ehe währte nur kurz. Sie besuchte die Landeskunstschule bei J.M. Bossard. 1928 hatte sie ein eigenes Atelier in der Breiten Straße 14. Sie arbeitete vorwiegend in Ton und Gips und schuf Portraits, figürliche Plastiken und Büsten. Ihre Vorbilder waren Barlach und Rodin. Nach dem Tod ihrer Mutter und Wegzug ihrer Schwester Ellen Simon zog Lola Toepke nach 1933 in die Lübecker Str. 82, wo sie auch ihrer künstlerischen Arbeit nachging. Lola Toepke wurde wegen ihrer jüdischen Abstammung am 25.4.1933 unehrenhaft aus der Hamburger Künstlerschaft und 1938 aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgestoßen. Sie durfte nicht mehr ausstellen. Am 6.12.1941 wurde sie ins Konzentrationslager Riga deportiert und von dort am 1.10.1944 ins KZ Stutthof.
Recherchen Dr. Stephan Heinemann, Potsdam
Anne-Marie Vogler
Bildquelle: Privatbesitz, unveröffentlichter Nachlass

© kulturkarte.de/schirmer

© kulturkarte.de/schirmer
Bildhauerin und Grafikerin
7.6.1892 Altona - 30.5.1983 Hamburg
Anne-Marie Vogler stammte aus einer großbürgerlichen Familie. Ihre Mutter war Clara Mathilde Vogler, geb. Leopold, ihr Vater der Exportkaufmann Friedrich Vogler. Mit ihren vier Brüdern wuchs Anne-Marie in Altona an der Elbchaussee auf. Sie segelte und ruderte mit den Brüdern auf der Elbe und lernte durch den ständigen Umgang mit ihnen Manches, worum Freundinnen sie bewunderten oder beneideten. Nach dem Besuch einer Höheren Mädchenschule verbrachte sie ein Jahr in London bei ihrem Onkel, um Hauswirtschaft und Englisch zu lernen. Sie bekam Klavier- und Gesangsunterricht, und erwog, Musikerin zu werden. Mit ihrem Bruder Kurt, der Geige spielte, arbeitete sie an einer gemeinsamen musikalischen Laufbahn. Nachdem ihr Bruder Karl 1916 als Soldat getötet worden war, spielte sie jedoch nie wieder mehr Klavier und wandte sich der bildenden Kunst zu.
Von 1916 bis 1918 besuchte sie die graphische Klasse des Graphikers und Bildhauers Carl Otto Czeschka an der Kunstgewerbeschule. Sie begann in Elfenbein zu arbeiten und schnitt Tiere, Becher, Schalen, Griffe, etc. aus diesem Material. Später arbeitete sie mit Holz und nahm von 1922 bis 1925 Unterricht bei dem Holzbildhauer August Henneberger an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Altona. Dann ging sie nach München an die Akademie der bildenden Künste und beschäftigte sich auch mit Christlicher Kunst. 1929 zog sie nach Berlin, arbeitete dort in einem eigenen Atelier und kehrte 1931 nach Hamburg zurück, wo sie sich ein Atelier im Mittelweg einrichtete. Sie versammelte einen Kreis geistig interessierter Menschen um sich, zu dem auch die Malerinnen Anita Rée und Gretchen Wohlwill gehörten.
In der Zeit des Nationalsozialismus gehörte sie zu der Gruppe von Gegnern und Gegnerinnen des NS-Regimes um den Buchhändler Felix Jud, die sich in seiner Buchhandlung in den Collonaden traf.
Anne-Marie Vogler blieb unverheiratet.
Die ersten Aufträge, die sie erhielt, waren Türreliefs für eine Fliegerschule, Intarsien für die spanische Botschaft in Berlin, Kaminplatten und Brunnenwände für Privathäuser bzw. -gärten, Grabmale, vor allem aber Plaketten und Portraitbüsten.
1947 erhielt sie den ersten größeren Auftrag, der in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregte. Sie sollte die sechs Glocken des Limburger Doms, die im Zweiten Welt-krieg eingeschmolzen worden waren und nun nachgegossen wurden, mit Schrift und Bildschmuck versehen. Anne-Marie Vogler arbeitete in einer überlieferten, doch seit Jahrhunderten nicht mehr angewendeten Technik, indem sie vor dem Guss Figuren, Ornamente und Schrift von innen in den Ton ritzte, was bedeutete, dass sie in das Innere der Glocke kriechen und seitenverkehrt arbeiten musste.
1959 schuf sie ihre erste lebensgroße Vollplastik "Mutter und Kind" für einen Schulhof in Dockenhuden. Ein weiteres Werk ist z. B. der Marmortrinkbrunnen im Hauptbahnhof-Süd. Die meisten ihrer großen, als "Kunst am Bau" entstandenen Arbeiten führte sie nicht selbst aus. Sie lieferte die Entwürfe und ließ sie unter ihrer Anleitung und Korrektur vom Steinmetz verwirklichen.
1978 hatte die damals 85-Jährige im Kunstverein ihre erste Einzelausstellung in Hamburg. Besondere Aufmerksamkeit erregte eine Gruppe von Fußballspielern, die um 1970 entstanden war und die der Freund und Kollege Karl August Ohrt als Thema aufgriff, als er für die im Alter von 91 Jahren Verstorbene eine Grabplatte aus schwarzem Granit schuf. Was sie an den Sportlern faszinierte, waren ihre Bewegungen und die Aufgabe, sie in eine künstlerische Form zu bringen.
Wesentliches aus Brita Reimers Portrait über Anne-Marie Vogler, in: Rita Bake, Brita Reimers: Stadt der toten Frauen. Hamburg 1997.

Photo: Universität Hamburg Musikwisssenschaftliches Institut
Edith Weiss-Mann (geb. Weiss)
Cembalistin, Klavierpädagogin, Musikkritikerin
11.5.1885 Hamburg - 18.5.1951 Westfield/New Jersey, USA
Edith Weiss-Mann war eine der ersten Cembalistinnen. Die Kaufmannstochter kam mit 15 Jahren an die Berliner Hochschule für Musik. Nach dem Examen gab sie privaten Klavierunterricht, bildete an der Hamburger Universität Musiklehrerinnen und -lehrer aus, wirkte 1923 beim Aufbau der Volksmusikschule mit und gründete 1925 die Vereinigung zur Pflege alter Musik in Hamburg. 1933 auf Grund ihrer jüdischen Abstammung als Lehrkraft entlassen, durfte sie nicht mehr öffentlich auftreten. 1939 emigrierte Edith Weiss-Mann zu ihrem Sohn in die USA, wo sie sich erfolgreich eine neue Karriere aufbaute. Nach ihrem Tod wurde ihre Urne in der Grabanlage ihrer Schwiegereltern - sie war mit dem Kunstmaler Wilhelm Mann verheiratet gewesen - beigesetzt.
Aenne Willkomm, verh. Kettelhut
Kostümbildnerin
17.06.1902 Shanghai - 20.06.1979 Hamburg
Über Aenne Wilkomm's Herkunft ist nichts bekannt. Kurz nachdem sie ihre Ausbildung in der Modeklasse des Lette-Vereins zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts abgeschlossen hatte, kam sie zum Film. Der Filmproduzent Erich Pommer hatte sie engagiert, nachdem er sich bei den öffentlichen Abschlussprüfungen des Lette-Vereins die Arbeiten der Schülerinnen angesehen hatte. Er benötigte Aenne Willkomm zur Unterstützung des kranken Kostümdesigners Paul Gerd Guderian (1896-1924). Aenne Willkomms Ehemann, Erich Kettelhut, schreibt dazu in seinen Erinnerungen: "Herr Guderian starb an Tuberkulose (…). Die erst zwanzig Jahre alte Aenne Willkomm, direkt von der Schule in das hektische Filmgeschäft gestellt, befand sich in keiner beneidenswerten Lage.
Neben den noch zum Teil in Arbeit befindlichen Kostümen zum ersten Teil der ‚Nibelungen' war die Hunnenbekleidung zum zweiten Teil bei Umlauff in Hamburg über das Anfangsstadium noch nicht hinausgekommen. Arthur von Gerlach, der Regisseur des Grieshuus-Filmes, wartete indes auf die Kostümentwürfe, denn auch er hatte Herrn Guderian als Kostümberater verpflichtet." 1) Diese desolate Situation fand Aenne Willkomm vor und musste nun tätig werden.
"Fräulein Willkomms Pastellenentwürfe trugen ihr sofort die Achtung aller Beteiligten ein. Ebenso folgten die ausführenden Firmen willig ihren Anweisungen. Aenne Willkomm hat sich mit einem Schlag durchgesetzt. Fritz Lang bestand jetzt darauf, dass die junge Frau ausschließlich für ihn arbeiten sollte; genau dasselbe forderte auch Arthur von Gerlach. Andere Regisseure wollten auch nicht zurückstehen. So avancierte Fräulein Willkomm zur Leiterin der Ufa Kostümabteilung." 2)
Später kam es wegen Aenne Willkomm zwischen Fritz Lang und Arthur von Gerlach "zu einem heftigen Tauziehen". 3) Jeder der beiden Regisseure wollte sie exklusiv für seine damals gedrehten Filme. "Pommer entschied schließlich diesen Streit. Fräulein Willkomm sei nicht nur für diese beiden Filme, sondern für alle in Babelsberg produzierten Filme angestellt."4)
Aenne Willkomm und Heinrich Umlauff waren für die Kostüme der zweiteiligen Großproduktion "Die Nibelungen" von Fritz Lang zuständig. "Er und Fräulein Willkomm leisteten Teamarbeit mit dem Garderobenpersonal. Es galt die Garderobe von mehreren hundert Hunnenkriegern und -frauen zu sichten, zu ordnen und sie griffbereit zu halten. Erstaunlich schnell hatte sich Fräulein Willkomm im Filmbetrieb eingearbeitet. Sie verstand es, immer zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. So war der Grieshuus-Film, was Kostümentwürfe und deren Ausführung betraf, reibungslos fertiggestellt worden. Auch jetzt [beim Nibelungenfilm] betreute sie mehrere Filme mit Kostümen der unterschiedlichsten Zeitepochen" 5), so ihr Ehemann Erich Kettelhut.
Aenne Willkomm entwarf auch die futuristischen Kostüme von Fritz Langs Metropolis-Film (1927). Ihre Einkleidung der Schauspielerin Brigitte Helm, die die Maria spielte, setzten Akzente. Aenne Willkomm wollte mit ihren Kostümentwürfen - wie sie sagte - "den Realismus und die Authentizität des Phantastischen" betonen.
"Aenne, die mit einem umfangreichen Mitarbeiterstab, Garderobiers, Schneidern und Näherinnen in einem extra für sie erbauten Garderobentrakt die Kostümausstattung aller in Neubabelsberg [Ufa] hergestellten Filme besorgte und für Entwürfe und Ausstattungen verantwortlich zeichnete, hatte Kontakt zu großen, leistungsfähigen Textilfirmen. Sie vermittelte uns Stoffe oder Posamente für unsere Bauten, und wir konnten ihr helfen, wenn sie Anfertigungen von anderen Werkstätten brauchte, zum Beispiel Stirnreifen, Armspangen und dergleichen". 6)
Zwischen Aenne Willkomm und Erich Kettelhut entspann sich bei den Filmarbeiten eine Liebesbeziehung: "Ich mochte die Aenne vom ersten Moment an sehr und lernte sie im Laufe der Zeit immer mehr schätzen. Selbstverständlich brachte ich sie abends [nach der Arbeit] bis zu ihrer Haustür in der Charlottenstraße [Berlin], und wenn es nicht gar zu spät war, saßen wir noch eine Stunde in einem Café beieinander." 7)
Wie es in solchen Fällen oft vorkommt: es kam zur Heirat. Im Frühsommer 1926 gaben sich beide das Ja-Wort. Und damit endete wenig später auch Aenne Willkomms Karriere als viel beachtete Kostümbildnerin. Neben Kostümen für die Filme "Nibelungen" (1922-1924) und "Metropolis" (1925/26) hatte sie auch Kostüme u. a. für die Filme "mein Leopold" (1924), "Zur Chronik von Grieshuus" (1924), "Schwester Veronika" (1926), "Der Katzenstieg" (1927) und "Heimkehr" (1928) entworfen.
Aenne Willkomm, nun verheiratete Kettelhut und der Filmarchitekt Erich Kettelhut lebten in Hamburg. Aenne Kettelhut scheint als verheiratete Frau noch eine Zeitlang ein Mode-Atelier gehabt zu haben. So fertigte sie z. B. die Garderobe der Schauspielerin Lydia Potechina (1883-1934).
Aenne Kettelhut überlebte ihren Ehemann um drei Monate. Er starb im Alter von 85 Jahren am 13.3.1979 und sie im Alter von 77 Jahren am 20.6.1979.
Quellen:
1) Erich Kettelhut: Der Schatten des Architekten. Hrsg. von Werner Sudendorf. München 2009, S. 72.
2) Ebenda.
3) Erich Kettelhut, a. a. O., S. 134.
4) Ebenda.
5) Erich Kettelhut, a. a. O., S. 103.
6) Erich Kettelhut, a. a. O., S. 127.
7) Erich Kettelhut, a. a. O, S. 174.
Gretchen Wohlwill
Malerin der Hamburgischen Sezession
27.11.1878 Hamburg - 17.5.1962 Hamburg
Pflicht, Güte und Nächstenliebe war das Lebensmotto der Malerin Gretchen Wohlwill. Ihre Eltern, der Vater Chemiker, wandten sich vom jüdischen Glauben ab. In den Geburtsscheinen ihrer Kinder stand "konfessionslos". Nach ihrer Kunstausbildung machte sie das Zeichenlehrerinnenexamen, arbeitete ab 1910 als Kunsterzieherin an der Emilie-Wüstenfeld-Schule und gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Hamburgischen Sezession. 1933 wurde sie aus dem Schuldienst entlassen und aus der Hamburgischen Künstlerschaft ausgeschlossen. 1937 wurden vier ihrer Arbeiten als entartet beschlagnahmt, 1938 ihre für die Emilie-Wüstenfeld-Schule gemalten Wandbilder übermalt. 1940 emigrierte sie nach Portugal, kehrte 1952 nach Hamburg zurück und errang als Künstlerin Anerkennung und Auszeichnungen.
Henny Wolff
Konzert- und Oratoriensängerin, Gesangspädagogin
3.2.1896 Köln - 29.1.1965 Hamburg
Da die Mutter Konzertsängerin und Gesangspädagogin war und der Vater als Musikkritiker arbeitete, hatte Henny Wolff schon als Sechsjährige den Wunsch, Sängerin zu werden. Zwischen ihrem zehnten und sechszehnten Lebensjahr erhielt sie Unterricht am Kölner Konservatorium. Als Bach- und Händel-Interpretin gelangte die Sopranistin zu Weltruhm. Daneben standen Lieder von Brahms und Werke der Moderne auf ihrem Programm. Zeitlebens arbeitete Henny Wolff auch als Gesangspädagogin. Von 1914 bis 1916 lehrte sie am Bonner Konservatorium, ging 1922 nach Berlin und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Hamburg. Dort leitete sie von 1950 bis 1964 die Klasse für Sologesang an der Musikhochschule. 1958 erhielt sie die Brahms-Medaille.